Entscheidungsstichwort (Thema)

Auch bei "PAS" keine (Teil-)Sorgerechtsentzug

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei der Diagnose eines PA-Syndroms (Parental Alienation Syndrome) kommt die Trennung eines Kindes von seinem alleinsorgeberechtigten Elternteil nicht in Betracht, wenn der andere Elternteil zur Sorge für das Kind ungeeignet ist.

Die Ermöglichung von Besuchskontakten zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil rechtfertigt wegen des Primats der elterlichen Erziehung nicht einen vollständigen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1666a

 

Verfahrensgang

AG Trier (Beschluss vom 06.02.2008; Aktenzeichen 9 F 267/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG - FamG - Trier vom 6.2.2008 aufgehoben.

Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtskosten und Auslagen nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Eltern des Kindes J., geboren am ... November 2000, waren vom 16.9.2000 bis zum 11.4.2007 miteinander verheiratet. Für den Kindesvater handelt es sich um die 3. Ehe. Aus den beiden vorangegangenen Ehen hat er 3 weitere Kinder. Die Kinder aus 1. Ehe sind heute volljährig. Der Sohn aus 2. Ehe ist 8 Jahre alt. Der Umgang dieses Kindes mit seinem Vater ist ausgesetzt.

Die Kindesmutter ist 1974 in W. geboren und aufgewachsen. Die Eltern lernten sich über das Internet kennen. Nachdem die Kindesmutter bald nach dem Kennenlernen mit J. schwanger geworden war, haben sie geheiratet und ihren gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland genommen.

Bereits im April 2003 trennten sich die Eltern zum ersten Mal. Das Kind verblieb bei der Mutter. Die Besuchskontakte zum Vater verliefen zunächst relativ problemlos. Im Juni 2003 kam es zwischen den Parteien zu einer Auseinandersetzung bei der Übergabe des Kindes. Die Kindesmutter gibt an, sie sei hierbei durch das Fahrzeug des Ehemannes verletzt worden und erstattete Anzeige wegen Körperverletzung. Sie beschloss, die Besuchskontakte zu reduzieren "um unnötige Konfrontation zu verhindern und eine strenge Regelung zu finden" (Bl. 6 GA in 9 F 370/03). Die Kindesmutter hatte inzwischen ein Verhältnis zu Herrn W. aufgenommen. Als Reaktion hierauf und auf die Verweigerung der Umgangskontakte begann der Kindesvater seine Ehefrau häufig zu beobachten. Ende Juli 2003 begehrte der Vater gerichtliche Hilfe beim Umgang. In der Folgezeit hatte der Vater mit dem Kind an jedem Samstag zwischen 9.00 und 18.00 Uhr Umgang mit seiner Tochter, wobei die Übergaben wegen der heftigen verbalen Auseinandersetzung zwischen den Parteien von dritten Personen vermittelt wurden. Die Sachverständige D. stellte in ihrem Gutachten vom 17.9.2003 (9 F 370/03) fest, dass J. altersentsprechend entwickelt, aber im Sprachausdruck leicht retardiert sei. Sie sei ein sehr angepasstes und scheues Kind, welches eine gute und innige Beziehung zu beiden Eltern habe. Die Sachverständige empfahl einen regelmäßigen begleiteten Umgang. Nach ihrem Dafürhalten waren die eigentlichen Gründe der Auseinandersetzung zwischen den Parteien die Frage der Aufenthaltserlaubnis der Mutter, finanzielle Forderungen, aber auch die persönliche Kränkung des Kindesvaters, weil seine Ehefrau ihn verlassen habe, vor dem Hintergrund einer narzisstischen Persönlichkeit. Durch die persönlichen Kontakte im Rahmen der Gutachtenerstattung versöhnten sich die Eltern wieder miteinander und wohnten seit Januar 2004 wieder zusammen.

Nur einige Zeit später eskalierten die Schwierigkeiten zwischen den Eltern erneut und die Ehefrau zog mit dem Kind am 19.8.2004 aus der ehelichen Wohnung aus. Sie fand Unterkunft bei einem älteren Ehepaar, welches sie über ein Arbeitsverhältnis kennen gelernt hatte. Das Kind und die Mutter leben noch heute im Anwesen der Familie F. Sie können sich dort im gesamten Haus und Garten frei bewegen, es handelt sich also weniger um ein Mietverhältnis, sondern um gemeinschaftliches Wohnen. J. hat insbesondere zu Herrn F. ein gutes Verhältnis entwickelt. Sie nennt ihn "Opa".

In der Folgezeit überziehen sich die Parteien wechselseitig mit den verschiedensten Strafanzeigen, die hier nicht näher dargestellt werden müssen.

Nach der zweiten Trennung sah der Vater die Tochter zunächst nicht mehr. Allerdings stellte die Kindesmutter am 15.9.2004 (9 F 411/04 EA I) einen Antrag auf eine Umgangsregelung, wobei ihr ein Umgang alle 2 Wochen an einem Tag vorschwebte. Durch Beschluss vom 3.10.2004 ordnete das FamG einen Umgang zweimal pro Woche von 9.00 bis 18.00 Uhr an. Zuvor hatte der Vater es abgelehnt, das Kind am Wochenende zu sich zu nehmen mit der Begründung, dies biete seine Frau nur an, um am Wochenende freie Zeit zu haben (Bl. 27 in 9 F 411/04 EA I). Die Situation stabilisierte sich in der Folgezeit indes nicht. Nachdem die Parteien wechselseitig jeweils die elterliche Sorge für J. beansprucht hatten, ließ das FamG die Sachverständige D. erneut ein Gutachten zu der Frage erstatten, ob die Übertragung der e...

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