Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung der Geschäftsgebühr und Kostenfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anrechnung der Geschäftsgebühr für außergerichtliche Tätigkeit auf die gerichtliche Verfahrensgebühr hindert die umfassende Kostenfestsetzung nur, wenn die Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren tituliert oder der Anrechnungseinwand im Kostenfestsetzungsverfahren unstreitig ist.

 

Normenkette

RVG-VV Nrn. 2300, 3100 Vorbem. 3 Abs. 4. S. 1; ZPO §§ 91, 103-104

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Beschluss vom 08.08.2007; Aktenzeichen 2 O 376/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungs-beschluss der Rechtspflegerin des LG Bad Kreuznach vom 8.8.2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Wert: 291,85 EUR) zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die nach § 11 Abs. 1 RpflG, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Der Rechtspfleger hat zu Recht entsprechend dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 9.7.2007 die volle Verfahrensgebühr festgesetzt.

1. Der Kläger macht gegen die Beklagte Gewährleistungsansprüche wegen einer mangelhaften Werkleistung geltend. Er beansprucht Rückabwicklung des Werkvertrages, Schadensersatz und Ersatz von Aufwendungen. Das LG hat die Klage mit der Begründung abgwiesen, die Voraussetzungen des § 634 BGB seien nicht bewiesen. Bei einem Streitwert von 8.176 EUR sind die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt worden.

Die Rechtspflegerin hat u.a. eine 1, 3 - Verfahrensgebühr zugunsten der Beklagten festgesetzt.

Die gegen die Festsetzung gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers rügt, die außergerichtlich auf Seiten der Beklagten angefallene Geschäftsgebühr sei teilweise auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen mit der Begründung, eine Anrechnung könne nur erfolgen, wenn die Geschäftsgebühr tituliert sei.

2. Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4. S. 1 zu Nr. 3.100 VV - RVG ist eine in derselben Angelegenheit entstandene Geschäftsgebühr für die vorprozessuale Tätigkeit auf eine anschließend entstandene Verfahrensgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 anzurechnen. Nach altem Recht, nämlich nach § 118 Abs. 2 BRAGO, war die in § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO bestimmte Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens auf die entsprechenden Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren anzurechnen (vgl. im Einzelnen Gebauer/Schneider/Hembach, BRAGO, 2002, Rz. 61 ff.).

Nach dem Gesetzeswortlaut neuen Rechts ist die gerichtliche Verfahrensgebühr zu mindern, nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr (vgl. Nachweise bei Bischof, JurBüro 2007, 341/344 unter 4.1).

Vertreten wird demgegenüber, dass eine hälftige Anrechnung der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr zu erfolgen habe (KG JurBüro 2006, 202; OVG NW NJW 2006, 1991; unklar BGH MDR 2007, 919 und dazu Streppel, MDR 2007, 929 Fn. 2).

In den Entscheidungen des BGH vom 7. und 14.3.2007 (VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049; VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050) ging es darum, dass die Geschäftsgebühr zusammen mit der Hauptsache eingeklagt war und die Vorinstanz die Geltendmachung des materiellen Anspruchs (§§ 280, 286 BGB) an der Anrechnungsvorschrift hat scheitern lassen. Der BGH ist von dem Grundsatz ausgegangen, dass die Geschäftsgebühr nicht zu den Kosten des Rechtsstreits nach §§ 91 ff. ZPO gehört und nicht vom prozessualen Kostenerstattungsanspruch erfasst ist (BGH NJW 2006, 2650; BGH MDR 2006, 776; OLG Koblenz JurBüro 2007, 433 und MDR 2005, 838). Die bereits entstandene Geschäftsgebühr bleibe unangetastet, so der BGH; durch die Anrechnung verringere sich die später angefallene Verfahrensgebühr.

Aus diesen Entscheidungen kann nicht gefolgert werden, nun müsse die Geschäftsgebühr im Rechtsstreit - sofern sie den auf Seiten der jeweiligen Partei angefallen sei - immer angerechnet werden (vgl. zutreffend N. Schneider, AGS 2007, 441). Wie von Enders und Hansens deutlich hervorgehoben JurBüro 2007, 449, 450 ff.; RVGreport 2007, 241, 248 f.), ist von dem Abrechnungsverhältnis Mandant/Rechtsanwalt das Kostenerstattungsverhältnis zu unterscheiden. Wird die Geschäftsgebühr nicht mit eingeklagt, so ist zwar die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr bei dem Abrechnungsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant zu berücksichtigen, nicht aber bei dem Kostenerstattungsanspruch des Mandanten ggü. dem erstattungspflichtigen Gegner wegen der im gerichtlichen Verfahren entstandenen Kosten.

Es erübrigt sich dann die Anfrage des Rechtspflegers, ob denn der obsiegenden Partei durch vorprozessuale Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten eine Geschäftsgebühr der Nr. 2.300 RVG-VV entstanden sei (Enders, a.a.O., 451).

Für den obsiegenden Kläger hat die Titulierung der Geschäftsgebühr den Vorteil, dass die Vollstreckung bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich ist, als be...

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