Entscheidungsstichwort (Thema)

Obhut und Wechselmodell bei der Kindesbetreuung

 

Leitsatz (redaktionell)

Teilen sich die Kindeseltern bis zur Klärung des Sorgerechts und Feststellung der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter die Betreuung eines Kindes – abgesehen von den Zeit, die das Kind in einem Ganztagskindergarten verbringt – genau untereinander auf, handelt es sich um ein Wechselmodell. Dies gilt auch dann, wenn die Kindesmutter das Kind außerhalb des Kindergartens von montags nachmittags bis freitags morgens und der Kindesvater das Kind von freitags mittags bis montags morgens betreut.

 

Normenkette

BGB § 1629 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Alzey (Beschluss vom 06.05.2008; Aktenzeichen 1 F 26/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des AG - FamG - Alzey vom 6.5.2008 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat der Klägerin zu Recht die begehrte Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage versagt. Der Klageantrag ist unzulässig.

Nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge der geschiedene Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Der Begriff der Obhut stellt auf die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse ab. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der sich also vorrangig um die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes kümmert (BGH FamRZ 2006, 1015 m.w.N.; BGH FamRZ 2007, 707 m.w.N.; Büttner FamRZ 1998, 585, 593; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1629 Rz. 6; MünchKomm/Huber, BGB, 4. Aufl., § 1629 Rz. 87).

Betreuen die Eltern ihr Kind in der Weise, dass es in etwa gleichlangen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (sog. Wechselmodell), so lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut i.S.d. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB innehat. Dann muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil muss beim FamG beantragen, ihm gem. § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (MünchKomm/Huber, a.a.O., § 1629 Rz. 88; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1629 Rz. 6).

An einer solchen eindeutigen Zuordnungsmöglichkeit fehlt es hier. Die Betreuung durch die Kindesmutter nimmt ungefähr den gleichen Umfang ein wie die Betreuung durch den Kindesvater.

Die Kindesmutter und der Kindesvater, die um das Sorgerecht für ihr gemeinsames Kind S. streiten, haben vor dem AG Alzey in dem Verfahren 1 F 138/07 einen Vergleich geschlossen, mit dem sie vor dem Hintergrund des Verdachts einer bipolaren Störung bei der Kindesmutter die Betreuung des Kindes - von den Zeiten, die es im Ganztagskindergarten verbringt, abgesehen - genau untereinander aufgeteilt: Die Kindemutter soll S. montags nachmittags gegen 16.00 Uhr am Kindergarten abholen. In den Folgetagen Dienstag, Mittwoch und Donnerstag soll das Kind im Ganztagskindergarten untergebracht sein und die Nachmittage und Nächte bei der Kindesmutter verbringen. Am Freitag soll die Kindesmutter das Kind um 8.30 Uhr in den Kindergarten bringen. Der Kindesvater soll das Kind dort um 12.00 Uhr zu sich nehmen, über das Wochenende bei sich behalten und montags morgens gegen 8.30 Uhr zum Kindergarten bringen.

Nach dieser Vereinbarung verbringt das Kind 65 Stunden bei der Kindesmutter und 68,5 Stunden bei dem Kindesvater. Das schließt die Beurteilung aus, dass der Schwerpunkt tatsächlicher Fürsorge bei der Kindesmutter liegt.

Die Klägerin wendet ohne Erfolg ein, die Zeit des Kindergartenbesuchs sei der Obhutszeit der Kindesmutter zuzurechnen. Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass Kindergarten- und Schulzeiten grundsätzlich aus wechselseitigen Betreuungsanteilen nicht als neutrale Zeiten heraus zu rechnen sind. Der jeweils betreuende Elternteil muss sich an den Schul- und Kindergartentagen um das Aufstehen, die Bekleidung, das Frühstück und den sicheren Kindergarten- bzw. Schulweg kümmern. Bei Erkrankung muss es die Betreuung selbst durchführen. Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass die Kindesmutter und der Kindesvater in ihrer Vereinbarung bewusst für S. einen Ganztagskindergarten gewählt haben, weil die schwerpunktmäßige Betreuung durch die Mutter - der Vater ist berufstätig - allein nicht gesichert schien. Sie haben somit unter Zuhilfenahme von Fremdbetreuung ein Modell entwickelt, mit dem die Betreuung durch die Kindesmutter auf die Zeit von montags nachmittags bis freitags morgens reduziert wurde. In diesem Fall ist es gerechtfertigt, auf die Zeiträume der tatsächliche...

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