Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Vertretungsbefugnis und Ergänzungspflegschaft für Unterhaltsklage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gesetzliche Vertretungsbefugnis des allein sorgeberechtigten Elternteils im Rahmen der Unterhaltsklage des in den Haushalt des nicht sorgeberechtigten Elternteils gewechselten minderjährigen Kindes.

2. Ein Bedürfnis für die Errichtung einer Ergänzungspflegschaft in diesem Fall darf nicht im Hinblick auf die streitige und bislang ungeklärte Rechtsfrage der Ausübung des Unterhaltsbestimmungsrechts verneint werden.

 

Normenkette

BGB §§ 181, 1612 Abs. 2 S. 1, § 1629 Abs. 1, 2 S. 1, §§ 1693, 1795 Abs. 2, § 1909 Abs. 1 S. 1; ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1, § 621e Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Bingen am Rhein (Beschluss vom 22.02.2006; Aktenzeichen 9 F 6/06)

 

Tenor

1. Auf die befristete Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - FamG - Bingen vom 22.2.2006 abgeändert.

Für den Antragsteller wird eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis der gesetzlichen Vertretung im Unterhaltsverfahren vor dem AG Bingen am Rhein - 9 F 15/05 - angeordnet.

Die Auswahl des Ergänzungspflegers bleibt dem AG überlassen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin; Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist das gemeinsame Kind aus der rechtskräftig geschiedenen Ehe der weiteren Beteiligten. Das Sorgerecht wurde der Antragsgegnerin allein übertragen (AG Bingen - 9 F 14/05 -); ein nachfolgender Sorgerechtsantrag des Kindesvaters wurde zurückgewiesen (AG Bingen - 9 F 64/01 -). Am 27.12.2004 wechselte der Antragsteller in den Haushalt des Kindesvaters, wo er seither lebt.

Mit der im Januar 2005 eingereichten Klage (AG Bingen - 9 F 15/05 -) begehrt der vom Kindesvater vertretene Antragsteller von der Kindesmutter die Zahlung von Barunterhalt nach der achten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle ab dem Monat Dezember 2004. Das AG hat die Klage durch Prozessurteil (unechtes Versäumnisurteil) vom 23.11.2005 (Bl. 54 ff. der Beiakte) wegen fehlender Vertretungsmacht des Kindesvaters abgewiesen; das Berufungsverfahren ist vor dem Senat anhängig - 11 UF 821/05 -. Mit Verfügung vom 12.1.2006 (Bl. 89 der Beiakte) hat der Senatsvorsitzende die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft angeregt und dem Antragsteller zur Beseitigung des Mangels der Prozessfähigkeit eine - später ausgesetzte (Bl. 100 Rs. der Beiakte) - Frist gesetzt.

Das AG hat im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 22.2.2006 (Bl. 19-21 GA) ausgesprochen, dass eine Ergänzungspflegschaft nicht angeordnet wird; es hat die Voraussetzungen des § 1909 BGB unter Hinweis auf die Entscheidungskompetenz der allein sorgeberechtigten Kindesmutter über die Art der Unterhaltsgewährung verneint. Hiergegen richtet sich die am 6.3.2006 beim OLG eingegangene Beschwerde des Antragstellers vom 1.3.2006 (Bl. 24-26 GA).

II. Das zulässige Rechtsmittel des Antragstellers hat in der Sache Erfolg.

1. Gegen die von der - zur Entscheidung berufenen (§ 3 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 14 RPflG) - Rechtspflegerin des AG abgelehnte Anordnung der Ergänzungspflegschaft ist das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde gem. § 621e Abs. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG, § 64 Abs. 3 FGG statthaft. Die hier vom FamG getroffene Endentscheidung betrifft einen Teilbereich der elterlichen Sorge i.S.d. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (vgl. OLG Bamberg v. 12.1.2005 - 2 UF 9/05, OLGReport Bamberg 2005, 331 = FamRZ 2005, 1500 f.; OLG Stuttgart v. 16.12.1998 - 18 WF 562/98, OLGReport Stuttgart 1999, 205 = FamRZ 1999, 1601 f.; Zöller/Philippi, 23. Aufl. 2002, § 621e Rz. 6 f.). Es gilt ohnehin - ungeachtet der streitigen (einer Überprüfung im Beschwerderechtszug gem. § 621e Abs. 4 S. 1 ZPO auch entzogenen) Frage nach der Abgrenzung der Zuständigkeit des VormG (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl. 2006, § 1697 Rz. 1) - das Prinzip der formellen Anknüpfung (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GVG).

Die befristete Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Das beim AG eingelegte Rechtsmittel ist innerhalb der Notfrist gem. § 621e Abs. 3 i.V.m. § 517 ZPO dem Beschwerdegericht vorgelegt worden (vgl. OLG Bamberg v. 12.1.2005 - 2 UF 9/05, OLGReport Bamberg 2005, 331 = FamRZ 2005, 1500 f.).

2. Die Antragsgegnerin ist im Rahmen des vom Antragsteller anhängig gemachten Unterhaltsverfahrens verhindert, die elterliche Sorge auszuüben (§ 1693 BGB).

a) Allerdings ist die - eingeschlossen das Aufenthaltsbestimmungsrecht - allein sorgeberechtigte Antragsgegnerin auch die alleinige gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Antragstellers (§ 1629 Abs. 1 S. 3 BGB); daran ändert im Grundsatz auch ein Wechsel in die Obhut des anderen - nicht sorgeberechtigten - Elternteils nichts (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 19.9.2001 - 9 UF 164/01 = FamRZ 2002, 562 f.). Eine Vertretungsbefugnis des Kindesvaters gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB setzt gerade die gemeinsame elterliche Sorge voraus; ebenso wenig liegt der Fall der Notvertretung ge...

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