Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit der durch Anwaltswechsel verursachten Mehrkosten

 

Leitsatz (amtlich)

Ist bei Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens nicht absehbar, dass ein Hauptsacheverfahren nachfolgt, in dem das Mandat des ursprünglich beauftragten Anwalts zunächst fortdauert, dann jedoch wegen altersbedingter Rückgabe der Zulassung nicht weitergeführt werden kann, sind die durch den Anwaltswechsel entstandenen Mehrkosten erstattungsfähig (Klarstellung zu OLG Koblenz JurBüro 2006, 543).

 

Normenkette

GG Art. 2, 12; ZPO §§ 91, 485

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Beschluss vom 22.02.2011; Aktenzeichen 2 O 99/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Bad Kreuznach vom 22.2.2011 in der berichtigten Fassung vom 11.3.2011 teilweise geändert.

Die nach dem Urteil des LG Bad Kreuznach vom 12.11.2010 von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden weiteren Kosten werden auf 445,11 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.11.2010 festgesetzt.

Die Kosten der Beschwerde hat der Kläger zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 445,11 EUR.

 

Gründe

I. Nachdem der Kläger am 17.12.2008 ein selbständiges Beweisverfahren (1 H 32/08 AG Zweibrücken) gegen die Beklagte angestrengt hatte, bestellte sich für diese am 8.1.2009 Rechtsanwalt C. und vertrat sie bis zum Ende des Verfahrens im Dezember 2009. Rechtsanwalt C. bestellte sich unter dem 9.4.2010 auch im Verfahren der Hauptsache, dessen Kostenfestsetzung hier ansteht. Er kündigte dabei an, dass er demnächst seine Kanzlei aus Altersgründen schließen werde. Für die Beklagte übernahm daher unter dem 21.4.2010 ihr jetziger Prozessbevollmächtigter das Mandat.

Mit Urteil vom 12.11.2010 wurden dem Kläger 21/23 der Verfahrenskosten, selbständiges Beweisverfahren eingeschlossen, auferlegt. Der Bevollmächtigte der Beklagten meldete unter dem 18.11.2010 seine Kosten unter Berücksichtigung einer 1,3-Verfahrensgebühr und einer 1,2-Terminsgebühr an (105 GA). Zugleich reichte er die Kostennote des Rechtsanwalts C. vom 27.1.2010 ein über eine 1,3-Verfahrensge- bühr für dessen Tätigkeit im selbständigen Beweisverfahren.

Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss ist die Rechtspflegerin davon ausgegangen, dass ein notwendiger Anwaltswechsel nicht vorgelegen habe. Die in dem selbständigen Beweisverfahren angefallene Verfahrensgebühr von 487,50 EUR sei auf die seitens des Vertreters der Beklagten geltend gemachte Verfahrensgebühr anzurechen.

Dem tritt die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde entgegen, weil im Zeitpunkt der Beauftragung von Rechtsanwalt C. im selbständigen Beweisverfahren (Januar 2009) noch nicht abzusehen gewesen sei, dass dieser seine Anwaltskanzlei schließen werde.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg. Eine Anrechnung der von Rechtsanwalt C. im selbständigen Beweisverfahren verdienten Verfahrensgebühr auf die im Verfahren der Hauptsache vom Bevollmächtigten der Beklagten verdiente Verfahrensgebühr findet nicht statt. Unter Berücksichtigung der in der Kostengrundentscheidung festgesetzten Quote sind der Beklagten weitere 445,11 EUR nebst Zinsen zu erstatten (487,50 × 21/23).

1. Das OLG München hat 2007 (JurBüro 2007, 596), entgegen der bis dahin herrschenden und auch von ihm vertretenen Auffassung, entschieden:

"Hatte der Parteivertreter der erstattungsberechtigten Partei während des Rechtsstreits seine Zulassung zurückgegeben und musste die Partei deshalb einen neuen Parteivertreter beauftragen, sind die Mehrkosten erstattungsfähig. Die materiell-rechtliche Frage, ob der erste Prozessbevollmächtigte überhaupt einen Vergütungsanspruch gegen die Partei hat, ist im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen (Aufgabe der früheren Senatsrechtsprechung, AnwBl. 2002, 117)".

Würde man dieser Rechtsauffassung folgen, so hätte die Beschwerde ohne weitere Prüfung Erfolg. Der Einzelrichter müsste die Sache dem Senat übertragen, damit dieser prüft, ob er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält.

2. Ob der Entscheidung des OLG München zu folgen ist, kann aber dahinstehen. Denn die sofortige Beschwerde hat auch nach der ständigen Senatsrechtsprechung Erfolg, so dass die Übertragung auf den Senat zu unterbleiben hat. Nach der bisherigen Auffassung des Senats gilt (JurBüro 2006, 543):

"... Danach sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte insoweit zu erstatten, als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Das ist der Fall, wenn weder der Partei noch dem Rechtsanwalt angelastet werden kann, dass es zu der neuen Mandatserteilung kam. So verhält es sich auch hier. Der Streithelfer hat unwidersprochen vorgetragen, der zunächst beauftragte Prozessvertreter habe seine Zulassung unverschuldet zurückgeben müssen, da er aus gesundheitlichen Gründen nicht

Mehr zu einer Fortführung seiner Berufstätigkeit in der Lage gewesen sei. Der Erstattungsanspruch der Partei ist nur eingeschränkt, wenn der erste Anwalt das Mandat ungerechtfertigt kündigt oder ber...

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