Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung bei Bestellung eines Berufungsanwalts in Unkenntnis der Rechtsmittelrücknahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kosten des Berufungsbeklagten sind erstattungsfähig, wenn ihm bei Erteilung des Auftrags an den Berufungsanwalt nicht bekannt war oder bekannt sein musste, dass das Rechtsmittel bereits zurückgenommen wurde.

2. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, eine Rechtsmittelrücknahme telefonisch dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten mitzuteilen.

 

Verfahrensgang

LG Trier (Beschluss vom 18.10.2004; Aktenzeichen 11 O 376/03)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Trier vom 18.10.2004 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert beträgt 454,48 Euro.

 

Gründe

Ihre zur Fristwahrung eingelegte, dem Prozessgegner am 14.7.2004 zugestellte Berufung vom 9.7.2004 nahm die Klägerin mit einem Fax zurück, das am 12.7.2004 bei Gericht einging. Das Original der Rücknahme nebst Durchschriften für den Prozessgegner folgte am 14.7.2004. Die am 15.7.2004 angeordnete Zustellung der Rücknahme wurde am 28.7.2004 bewirkt.

Zuvor hatten sich mit Schriftsatz vom 14.7.2004 für den Beklagten Berufungsanwälte bestellt und die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt. Die Kosten der Berufung sind der Klägerin auferlegt worden. Dem auf Nr. 3200 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zu § 2 Abs. 2 RVG gestützten Kostenfestsetzungsantrag hat der Rechtspfleger nur zum Teil entsprochen und lediglich eine Gebühr nach Nr. 3201 VV zuerkannt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin. Sie meint, wegen der alsbaldigen Rechtsmittelrücknahme habe kein Anlass bestanden, einen Berufungsanwalt zu beauftragen.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Der Rechtspfleger hat richtig entschieden. Seine Bemerkung im angefochtenen Beschluss, bei Formulierung eines Sachantrags bereits im Bestellungsschriftsatz könne der Rechtsanwalt des Berufungsbeklagten nur die Gebühr nach Nr. 3201 VV beanspruchen, kann allerdings missverstanden werden. Entstehung und Erstattung von Gebühren sind voneinander zu unterscheiden (vgl. Bischof/Jungbauer, RVG, S. 562, unter 3.). Ob der Beklagte seinem Berufungsanwalt wegen des Sachantrages in dem Bestellungsschriftsatz zweiter Instanz eine Gebühr nach Nr. 3200 VV schuldet, steht nicht (mehr) zur Entscheidung an. Im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren geht es nur darum, welche Kosten notwendig waren und damit erstattungsfähig sind. Da der Beklagte die Teilablehnung seines auf Nr. 3200 VV gestützten Antrages hingenommen hat, kann dahinstehen, ob diese Gebühr ggf. erstattungsfähig wäre.

Dass der Rechtspfleger eine Gebühr nach Nr. 3201 VV als erstattungsfähig angesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Der Auffassung der Beschwerde, für den Beklagten habe kein Anlass bestanden, einen Anwalt im Berufungsverfahren zu beauftragen, kann nicht gefolgt werden. Die Berufungsschrift vom 9.7.2004 ist den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten erst am 14.7.2004 zugestellt worden. Dass die Rechtsanwälte D. und Kollegen sich unverzüglich noch am selben Tag auch für die zweite Instanz bestellten, begegnet keinen Bedenken. Zur Begründung verweist der Senat statt Wiederholung auf die Gründe der in NJW 2003, 756 (NJW 2003, 756) abgedruckten und in NJW 2003, 1496 ff (NJW 2003, 1496 ff.) von Madert eingehend besprochenen Entscheidung des BGH.

Dass dem Gericht bereits seit dem 12.7.2004 die Rechtsmittelrücknahme vorlag, ist für die Erstattungsfrage unerheblich. Die Rücknahme wurde durch Fax erklärt. Durchschriften für die Gegenseite waren nicht beigefügt. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, in derartigen Fällen Kopien zu fertigen und diese der Gegenseite zuzustellen (§ 133 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die fehlenden Zustellexemplare der Rücknahme wurden erst mit dem Original der Berufungsrücknahme am 14.7.2004 eingereicht. Das Gericht war auch jetzt nicht verpflichtet, den Berufungsbeklagten telefonisch von der Rechtsmittelrücknahme in Kenntnis zu setzen. Eine Rechtsgrundlage für dieses Begehren ist weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Das vom Gericht Verlangte hätte das Büropersonal des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits am 12.7.2004 telefonisch erledigen können. Was sich dem Rechtsanwalt einer Partei nicht aufdrängt, muss sich im Allgemeinen auch dem Gericht nicht aufdrängen. Dies gilt um so mehr, als das Gericht ohne weiteres davon ausgehen darf, dass der Rechtsanwalt des Berufungsführers bei einem nur zur Fristwahrung eingelegten Rechtsmittel mit der Gegenseite ein "Stillhalteabkommen" getroffen hat (vgl. dazu eingehend Madert, NJW 2003, 1496). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts sich darauf beschränkt hat, am 15.7.2004 die Zustellung der am Tag zuvor eingegangenen Durchschriften der Berufungsrücknahme anzuordnen.

Für die Erstattungsfähigkeit der Kosten ist allein maßgeblich, dass aus Sicht des Bekl...

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