Leitsatz (amtlich)

Im Wege einer einstweiligen Anordnung ergangene Maßnahmen nach § 1666 BGB, die nicht auf einen jedenfalls teilweisen Entzug der elterlichen Sorge gerichtet sind, sind für Adressaten der Maßnahme nicht anfechtbar

 

Normenkette

BGB § 1666; FamFG § 57 S. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Westerburg (Aktenzeichen 47 F 101/21 eA)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Westerburg vom 06.05.2021, Az. 47 F 101/21 eA, wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht in einem einstweiligen Anordnungsverfahren den sorgeberechtigten Eltern der drei hier betroffenen minderjährigen Kinder die Auflagen erteilt, vier Drogentests auf Kosten der Staatskasse durchzuführen (Ziff. 1) sowie für den Schulbesuch des ältesten Kindes in Präsenzform bzw. bei Nichtstattfinden von Präsenzunterricht für die Erledigung der Aufgaben im Homeschooling zu sorgen, den regelmäßigen Besuch des Kindergartens durch die beiden jüngeren Kinder sicherzustellen und mit dem Jugendamt zusammen zu arbeiten sowie die Termine mit der SPFH wahrzunehmen (Ziff. 2 bis 4).

Hiergegen wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde, mit welcher sie die Entscheidung des Familiengerichts als verfahrensfehlerhaft ergangen und sachlich falsch angreift. Wegen der näheren Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz vom 20.05.2021 verwiesen.

Nachdem das Jugendamt und der den Kindern bestellte Verfahrensbeistand zu dem Rechtsmittel Stellung genommen haben, hat der Senat die Beschwerdeführerin nach Beratung darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel mangels Vorliegens einer nach § 57 Satz 2 FamFG anfechtbaren Entscheidung nicht statthaft sein dürfte. Im Rahmen der der Kindesmutter hierzu eingeräumten Stellungnahmemöglichkeit teilt diese mit, dass der angefochtene Beschluss so nicht habe ergehen dürfen. Denn zum einen sei der Kindesmutter in der zuvor durchgeführten mündlichen Verhandlung keine Möglichkeit zur Anhörung gegeben worden. Zum anderen stelle der Beschluss einen nicht notwendigen Eingriff in ihre Rechte dar. Im Rahmen der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht sei die Bereitschaft erklärt worden, die in dem Beschluss erlassenen Forderungen des Gerichts zu erfüllen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil nicht statthaft.

Einstweilige Anordnungen in Familiensachen sind nur ausnahmsweise in den explizit und abschließend in § 57 Satz 2 FamFG geregelten Fällen mit der Beschwerde anfechtbar. Einer der dort genannten Regelungsbereiche liegt hier allerdings nicht vor.

Insbesondere hat das Familiengericht in dem angefochtenen Beschluss keine Entscheidung über die elterliche Sorge für die Kinder i.S.d. § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG getroffen. Zwar hat das Familiengericht ein Eilverfahren nach § 1666 BGB durchgeführt. Im Wege einer einstweiligen Anordnung ergangene Maßnahmen nach § 1666 BGB, die nicht auf einen jedenfalls teilweisen Entzug der elterlichen Sorge gerichtet sind, sind jedoch für deren Adressaten nicht anfechtbar (vgl. Johannsen/Henrich/Althammer/Kohlenberg, Familienrecht, 7. Auflage 2020, § 57 Rn. 7 und Keidel/Giers, FamFG, 20. Auflage 2020, § 57 Rn. 6 sowie Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Auflage 2020, § 57 FamFG Rn. 6 a.E.).

Hintergrund ist, dass sich aus den in § 57 Satz 2 FamFG abschließend aufgeführten Fällen ergibt, dass Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung nur anfechtbar sein sollen, wenn ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Rechtsstellung eines Beteiligten vorliegt.

Zwar greifen die Anordnungen gemäß Ziff. 2 bis 4 des Beschlusses des Familiengerichts auch in die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin ein. Dieser Eingriff ist aber nicht schwerwiegender als z.B. eine nach § 57 Satz 2 FamFG nicht anfechtbare Umgangsregelung oder Umgangseinschränkung. Auch die bloße Anordnung, eine Begutachtung durchzuführen (Ziff. 1 des Beschlusses des Familiengerichts), stellt jedenfalls dann keinen schwerwiegenden Eingriff dar, wenn die Betroffene - wie hier - nicht zusätzlich durch Zwangsmittel zur Mitwirkung verpflichtet wird (vgl. BGH FamRZ 2008, 774).

Die unzutreffend erteilte Rechtsbehelfsbelehrung führt ebenfalls nicht zur Zulässigkeit eines unstatthaften Rechtsmittels (vgl. BGH FamRZ 2014, 1620).

Hierauf hatte der Senat hingewiesen.

Soweit die Kindesmutter daraufhin mit Schriftsatz vom 31.08.2021 geltend macht, dass die angefochtene Entscheidung verfahrensrechtlich so nicht hätte ergehen dürfen und überdies sachlich einen nicht notwendigen Eingriff in ihre Rechte darstelle, begründet dies gleichwohl nicht die Statthaftigkeit der Beschwerde. Denn mit dem Institut der außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit hat der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 07.03.2002 gebrochen (vgl. BGH NJW 2002, 1577). Der Bundesgerichtshof sieht dieses Rechtsmittel auch in Fällen einer krass unrichtigen Entscheidung ni...

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