Leitsatz (amtlich)

1. Ein notarielles Schuldanerkenntnis, das den Versprechen- den finanziell krass überfordert und ausschließlich gegen den Ehepartner bestehende Bankansprüche sichert, ist nichtig.

Ausreichende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit schließen eine derartige Überforderung nicht aus, wenn sie auf dem Geschäftsbetrieb gründen, für den die Bankkredite gezahlt wurden.

2. Nach Scheidung der Ehe kann auch das Interesse der Bank, Vermögensverschiebungen zu begegnen, einem derartigen Schuldanerkenntnis nicht mehr den Makel der Sittenwidrigkeit nehmen.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 781, 1353; ZPO §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 5, § 795

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Beschluss vom 16.07.2003; Aktenzeichen 6 O 118/03)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Mainz vom 16.7.2003 insoweit aufgehoben, als der Klägerin Prozesskostenhilfe für den Teil der Klageforderung verweigert worden ist, der 53.236,87 Euro (= 14.122,26 DM) übersteigt.

Das weiter gehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Gerichtliche Gebühren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde, die sich allein gegen die Verweigerung von Prozesskostenhilfe und damit gegen Nr. 1 des vom LG verfassten Beschlusstenors richtet, ist innerhalb der gesetzlichen Frist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt worden. Sie hat in der Sache einen Teilerfolg.

Entgegen der Auffassung des LG lässt sich die Erfolgsaussicht der Klage nicht insgesamt verneinen. Vielmehr erweist sich das Klageverlangen – auf der Grundlage des bisherigen Parteivortrags – lediglich insofern als unbegründet, als ein Betrag von 53.236,87 Euro (= 14.122,26 DM) betroffen ist. Soweit sich die Klägerin darüber hinaus gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der streitigen notariellen Urkunde wendet, bietet die beabsichtigte, auf §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 767 ZPO gestützte Rechtsverfolgung, hinreichende Aussicht auf Erfolg. Ob die Klägerin, wie dies § 114 ZPO i.Ü. für die Gewährung von Prozesskostenhilfe voraussetzt, nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, muss noch vom LG geprüft und entschieden werden.

1. Das Schuldanerkenntnis, das dem Vollstreckungstitel der Beklagten zugrunde liegt, ist zu einem nicht unerheblichen Teil in seiner Wirksamkeit angreifbar. Das gilt in dem Umfang, in dem es zuvor nicht vorhandene zusätzliche Forderungen gegen die Klägerin geschaffen hat, um Ansprüche gegen deren Ehemann abzusichern. Die Wirksamkeitsbedenken ergeben sich aus § 138 Abs. 1 BGB. Nach dieser Bestimmung sind die in dem Schuldanerkenntnis niedergelegten neuen Verpflichtungen der Klägerin nichtig, wenn sie dadurch herbeigeführt wurden, dass sich die Beklagte die gefühlsmäßige Beziehung der Klägerin zu ihrem Ehemann in missbilligenswerter Weise zunutze machte (BGH v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, MDR 2001, 403 = GmbHR 2001, 247 = BGHReport 2001, 132 = NJW 2001, 815; Heinrichs in Palandt, BGB, 62. Aufl., § 138 Rz. 38b). Für eine derartige Situation spricht eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit. Sie wird ausreichend dadurch indiziert, dass die Klägerin durch die von ihr neu eingegangenen Zahlungsverpflichtungen krass überfordert wurde (BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 274/96, GmbHR 1998, 240 = MDR 1998, 609 = NJW 1998, 894; v. 25.11.1999 – IX ZR 40/98, GmbHR 2000, 128 = MDR 2000, 284 = NJW 2000, 362 [363]; NJW 2000, 1182 [1183]). Eine entspr. Überforderung ist nämlich deshalb gegeben, weil die Klägerin nicht einmal in der Lage war, die laufenden Zinsen der zusätzlichen Verbindlichkeiten aufzubringen und die Beklagte dies – zumindest bei einer Prüfung der Verhältnisse – erkennen konnte (BGH v. 11.3.1997 – XI ZR 50/96, BGHZ 135, 66 [70] = MDR 1997, 668; v. 29.6.1999 – XI ZR 10/98, MDR 1999, 1208 = NJW 1999, 2584 [2586]; NJW 2000, 1182 [1183 f]; v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, MDR 2001, 403 = GmbHR 2001, 247 = BGHReport 2001, 132 = NJW 2001, 815 [816]).

Die Klägerin hat, ohne dass die Beklagte dem inhaltlich entgegengetreten wäre, vorgetragen, sie habe bei Abgabe des Schuldanerkenntnisses über kein Vermögen oder Einkommen verfügt; sie habe im Betrieb ihres Ehemanns mitgeholfen und sich um die gemeinsamen Kinder gekümmert. Damit war sie mittellos. Allerdings mag zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen sein, dass der Klägerin wegen ihrer geschäftlichen Mitarbeit Vergütungsforderungen gegen ihren Ehemann zustanden, die sie hätte durchsetzen können. Das fällt jedoch letztlich nicht ins Gewicht. Die Frage, ob die Klägerin krass überfordert wurde, muss nämlich mit Blickrichtung auf die Situation beurteilt werden, in der das eingegangene Haftungsrisiko relevant werden konnte (BGH NJW 2000, 1182 [1183]). Eine derartige Situation drohte dann, wenn der Geschäftsbetrieb des Ehemanns der Klägerin in die Krise geriet. Damit traten aber Umstände ein, die den möglichen Vergütungsforderungen der Klägerin die Grundlage entzogen.

Die Beklagte ka...

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