Leitsatz (amtlich)

1. Ob eine Ehegattenbürgschaft sittenwidrig ist, richtet sich grundsätzlich nach den Verhältnissen beim Vertragsschluss. Die Frage, ob der Bürge finanziell krass überfordert ist, muss jedoch für den Zeitpunkt beurteilt werden, in dem das Bürgschaftsrisiko sich verwirklicht.

2. Bezweckt die finanziell überfordernde Bürgschaft auch, den Kreditgeber vor Vermögensverschiebungen von Eheleuten zu schützen, kann der Bürge sich dem Zugriff des Gläubigers zwar derzeit entziehen, jedoch in Anspruch genommen werden, wenn und soweit eine Vermögensverlagerung durch den Ehegatten auf den Bürgen stattfindet.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 242, 765, 826

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 13 O 275/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 13. Zivilkammer des LG Koblenz vom 31.10.2001 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin aus der streitigen, am 31.5.1996 begründeten Bürgschaft über 240.000 DM wegen eines Teilbetrags von 220.000 DM (= 112.484,21 Euro) nur in Anspruch nehmen darf, wenn und soweit in Zukunft eine Vermögensverlagerung durch den Ehemann H.R. auf die Klägerin stattfindet. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Wegen des über die vorgenannte Verurteilung hinausreichenden Berufungsantrags, der zurückgenommen worden ist, wird die Klägerin des Rechtsmittels für verlustig erklärt.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 1/6 und die Beklagte 5/6. Die Gerichtskosten zweiter Instanz fallen der Klägerin zu 1/30 und der Beklagten zu 29/30 zur Last; die außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz werden der Klägerin zu 1/10 und der Beklagten zu 9/10 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 1.200 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits Sicherheit in dieser Höhe stellt. Der Beklagten ist nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 8.000 Euro abzuwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits Sicherheit in dieser Höhe erbringt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin übernahm am 31.5.1996 eine Bürgschaft gegenüber der B-Bank AG (im Folgenden: B). Die Bürgschaft lautete auf einen Höchstbetrag von 240.000 DM und sicherte einen Kredit, den die B dem Ehemann der Klägerin seinerzeit i.H.v. 375.310,43 DM mit Blickrichtung auf dessen Unternehmen gewährte.

Die Geschäftsbeziehung der B zum Ehemann der Klägerin bestand bereits seit 1978. Damals hatte sich die Klägerin im Umfang von 150.000 DM verbürgt. Später wurden die Bürgschaftsverpflichtungen ausgeweitet, ehe sie dann am 31.5.1996 auf eine neue Grundlage gestellt wurden. Neben der Bürgschaft der Klägerin verfügte die B über weitere Kreditsicherheiten namentlich in Form von Immobiliarpfandrechten, Forderungszessionen und Sicherungsübereignungen.

Die Klägerin war im Unternehmen ihres Ehemanns teilzeitbeschäftigt. Wie sie unbestritten vorgetragen hat, beliefen sich ihre monatlichen Nettobezüge bei Übernahme der Bürgschaft am 31.5.1996 auf 2.955,24 DM zuzüglich einer vermögenswirksamen Leistung von 78 DM. Ende 1996 wurde die Klägerin arbeitslos. Das ging mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihres Ehemannes einher, der sein Unternehmen einstellte.

Mit Schreiben vom 29.11.1996 machte die B den gesamten Bürgschaftsbetrag gegenüber der Klägerin geltend. Anschließend trat sie ihre Bürgschaftsforderung am 13.1.1997 an die Beklagte ab. Diese erwirkte am 20.12.1997 gegenüber der Klägerin einen mittlerweile rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid über 20.000 DM.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin eine Feststellung dahin begehrt, dass der Beklagten keine Rechte aus der Bürgschaft vom 31.5.1996 zustehen. Sie erachtet ihre Verpflichtung für sittenwidrig, da sie unter dem Zwang gestanden habe, ihren Ehemann zu unterstützen, und finanziell erheblich überfordert worden sei. Die B habe in ausreichendem Maße über Sicherheiten verfügt. Zumindest sei mit dem Niedergang des Unternehmens ihres Ehemanns und ihrer eigenen Arbeitslosigkeit die Geschäftsgrundlage der Bürgschaft weggefallen. Nachdem das LG das Klageverlangen abgewiesen hat, verfolgt die Klägerin ihr Ziel im Berufungsverfahren mit der Maßgabe weiter, dass sie von der Beklagten aus der Bürgschaft i.H.e. Teilbetrags von 220.000 DM nur im Hinblick auf eine etwaige zukünftige Vermögensverlagerung auf ihren Ehemann in Anspruch genommen werden dürfe.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und ihrer Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat im Rahmen der Antragstellung der Klägerin Erfolg. Die streitige Bürgschaft ist zwar wirksam. Aber die Beklagte ist entgegen der Auffassung des LG weitreichend gehindert, die Klägerin daraus in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin haftet lediglich im Rahmen des Vollstreckungsbescheids, der am 20.12.1997 gegen sie ergangen ist, und insoweit, als es in Zukunft zu Vermögensverlagerungen ihres Ehemanns auf sie kommen sollte. Nur in diesem Umfang verb...

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