Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Drittwiderspruchsklage des Kontoinhabers bei wirkungsloser Kontopfändung - Rechte des Nachlasspflegers an den Bankkonten der Erblasserin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Drittwiderspruchsklage des Kontoinhabers gegen die Pfändung seines Guthabens auf einem Bankkonto setzt eine wirksame Pfändung voraus. Eine wegen fehlender Bestimmtheit der zu pfändenden Forderung wirkungslose Pfändung rechtfertigt keine Drittwiderspruchsklage gegen den Pfändungsgläubiger.

2. Streiten sich zwei Forderungsprätendenten, wer Gläubiger einer bestimmten Forderung gegen einen Dritten ist, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage. Der Umstand, dass das Urteil keine Rechtskraftwirkungen gegenüber dem am Rechtstreit nicht beteiligten Schuldner hat, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen.

3. Ein Nachlasspfleger, der vom Nachlassgericht zur Sicherung des Nachlasses eingesetzt ist, kann als Vertreter der unbekannten Erben von einer Bank die Auszahlung sämtlicher Guthaben auf den Konten der Erblasserin verlangen, ohne dass weitere Voraussetzungen seiner Berechtigung zu prüfen sind.

 

Normenkette

BGB § 1960 Abs. 2; ZPO § 256 Abs. 1, § 771 Abs. 1, § 829 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 30.10.2015; Aktenzeichen E 5 O 159/15)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 30.10.2015 - E 5 O 159/15 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass die Kläger und nicht die Beklagte Gläubiger der Forderungen aus den Konten bei der Sparkasse D. mit den Nummern 308036359, 3201017005, 3208181895 und 3208226146 (Nachlass der am 03.07.2008 verstorbenen Frau H. J.) sind.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Kläger wegen der Kosten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Frage, wem das Guthaben auf verschiedenen Konten bei der Sparkasse D. nach dem Tod der Kontoinhaberin, Frau H. J., zusteht.

Die am 04.01.1922 geborene Frau H. J., zuletzt wohnhaft in V., verstarb am 03.07.2008. Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin bestand ihr Vermögen aus Guthaben auf verschiedenen Konten bei der Sparkasse D.. Die Forderungen gegen die Sparkasse D. betrugen zum Zeitpunkt des Todes ca. 75.000,00 EUR. Die Erblasserin hinterließ kein Testament. Sie hatte keine Kinder. Der Ehemann der Erblasserin war vor ihr verstorben.

Zu Lebzeiten bestand eine langjährige persönliche Beziehung zwischen der Erblasserin und der am 01.08.1960 geborenen Frau K. E. (im folgenden verkürzt als "Nichte" der Erblasserin bezeichnet). Im vorliegenden Rechtsstreit ist das Verwandtschaftsverhältnis zwischen der Erblasserin und der Nichte streitig. Am 29.07.2008 stellte die Nichte beim Notariat S. einen Teil-Erbscheinsantrag für ein Erbteil von 1/2. Sie erläuterte die Verwandtschaftsverhältnisse der Erblasserin, soweit sie ihr bekannt waren, und fügte dem Antrag verschiedene Urkunden bei. Der Antrag war an das zuständige Nachlassgericht beim Amtsgericht D. gerichtet. Das Amtsgericht D. verlangte von der Nichte eine Ergänzung des Antrags durch die Vorlage einer Vielzahl weiterer Urkunden. Die Nichte sah sich nicht in der Lage, die angeforderten Urkunden für eine größere Zahl von Personen aus teilweise lange zurückliegenden Zeiträumen zu beschaffen, zumal die vorverstorbenen Verwandten der Erblasserin in Polen gelebt hatten. Mit Schreiben vom 12.07.2010 (Akte des Amtsgerichts D. 14 VI 260/08) teilte das Notariat S. dem Amtsgericht D. mit, die Nichte habe gegenüber dem Notariat S. telefonisch mitgeteilt, dass sie keinen Erbschein mehr benötige (vgl. dazu die abweichende Darstellung der Nichte im Schreiben vom 20.02.2011, Anl. K 3). Das Nachlassgericht beim Amtsgericht D. vertrat in der Folgezeit die Auffassung, die Nichte habe ihren Erbscheinsantrag zurückgenommen.

Die Beklagte ist Inhaberin einer titulierten Forderung gegen die Nichte aus einer Grundschuldbestellungsurkunde vom 27.11.1990. Die Restforderung aus diesem Titel betrug im August 2010 noch 11.304,16 EUR (Hauptforderung) zuzüglich Zinsen in Höhe von 19.910,91 EUR und zuzüglich weiterer Kosten. Wegen dieser Forderung erwirkte die Beklagte einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen die Nichte, der am 07.10.2010 erlassen wurde. Gepfändet wurden Forderungen der Nichte gegen die Sparkasse D. als Drittschuldnerin. Die Forderungen sind im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wie folgt bezeichnet:

"... die angebliche Forderung des Schuldners an den Drittschuldner Sparkasse D.... auf Zahlung und Leistung jeglicher Art aus der laufenden...

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