Leitsatz (amtlich)

Die Vermietung eines Hochbetts ohne jede Absturzsicherung in einem Ferienhaus in der Schweiz widerspricht der Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters und stellt einen Reisemangel dar.

Eine Absturzsicherung bei Hochbetten dient nicht ausschließlich dem Schutz vor dem Herausfallen im Schlaf. Sie soll vielmehr auch bei sachgemäßer Benutzung im wachen Zustand wie beispielsweise Weise beim Ein-und Ausstieg einen gewissen Schutz bieten.

Ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Eltern wegen Verletzung der Aufsichtspflicht (§ 1631 Abs. 1 BGB) ist nicht anzunehmen, wenn sich der Unfall des fünfeinhalbjährigen Kindes alsbald nach der Ankunft der Reisegruppe ereignet hat und die Kinder sich mit Duldung der Eltern vorübergehend in dem Zimmer mit den ungesicherten Hochbetten aufgehalten haben (Abgrenzung zur Senatsentscheidung vom 18.04.2007 -7 U 73/06, NJW-RR 2007, 1356).

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 09.10.2015; Aktenzeichen 10 O 173/15)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 09.10.2015 - 10 O 173/15 - wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2014 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 455,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.01.2015 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte nach einem Sturz aus einem nach ihrer Behauptung nicht mit einer Absturzsicherung versehenen Hochbett auf Schmerzensgeld in Anspruch.

Die in Deutschland ansässige Beklagte vermietet Ferienhäuser und Ferienwohnungen. Für die Zeit vom 28.12.2013 bis zum 05.01.2014 hat der Zeuge T. als Gruppenleiter bei ihr einen Aufenthalt in der Berghütte ... (Schweiz) für eine aus zehn Erwachsenen und sieben Kindern bestehende Gruppe, darunter die zum Unfallzeitpunkt 5 1/2 Jahre alte Klägerin, gebucht (Anlagenkonvolut K 8).

Kurz nach Ankunft in der Berghütte am 28.12.2013 gegen 15.00 Uhr stürzte die Klägerin in einem der Zimmer von einem Hochbett kopfüber auf den gefliesten Boden. Sie wurde mit dem Hubschrauber in ein Krankenhaus gebracht, wo ein Bruch des rechten Stirn- und Scheitelbeins mit epiduralem Hämatom festgestellt wurde. Am 29.12.2013 wurde die Klägerin operiert, um die Blutung zu entfernen. Der stationäre Krankenhausaufenthalt dauerte bis zum 05.01.2014. Besonders in den ersten Tagen hatte sie starke Schmerzen und konnte durch die geschwollenen Augen kaum sehen. Die Klägerin litt jedenfalls bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz unter dem Trauma des Sturzes.

Die Klägerin behauptet, das Hochbett, von dem sie abgestürzt sei, sei nicht mit einer Absturzsicherung ausgestattet gewesen (vgl. Lichtbild, Anlage K3). Sie habe sich auf das auf dem Lichtbild der Anlage K 3 in der Mitte abgebildete Bett gelegt und schauen wollen, ob das Kind im unteren Stockwerk des Betts bereits eingeschlafen sei. Dabei habe sie sich mit dem Kopf über die Kante gebeugt und sei infolgedessen heruntergerutscht.

Die Klägerin meint, die Beklagte habe gegen ihre Sorgfaltspflicht bei der Auswahl der Unterkunft verstoßen. Sie hält ein Schmerzensgeld von 15.000,00 EUR für angemessen. Ferner begehrt sie Erstattung der nicht anrechenbaren Anwaltskosten aus einem vorgerichtlichen anwaltlichen Anspruchsschreiben vom 31.10.2014 in Höhe von 526,58 EUR brutto. Die Eltern der Klägerin hatten die Ansprüche bei der Beklagten bereits mit einer Schadensanzeige vom 10.01.2014 bei der Beklagten geltend gemacht.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen angemessenen Schmerzensgeldbetrag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2014 sowie eine Nebenforderung in Höhe von 526,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das LG, auf dessen Urteil wegen des weiteren Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe gegenüber der Klägerin keine Pflichten aus dem Reisevertrag verletzt. Es sei Sache der (Eltern der) Reiseteilnehmer gewesen, die Zimmer und erst recht die einzelnen Betten untereinander aufzuteilen. Da unstreitig Schlafplätze in Hochbetten mit einer Absturzsicherung verfügbar gewesen seien, habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass kleine Kinder die obere Etage der ungesicherten Hochbetten nicht, jedenfalls nicht unbeaufsichtigt benutzen würden. Zudem diene die Absturzsicherung an einem Hochbett dazu, dass Kinder nachts nicht im Schlaf aus dem Bett fielen. Es sei ist aber nicht deren Aufgab...

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