Leitsatz (amtlich)

Fällt ein Kind in einem Hotelzimmer aus einem Hochbett, dessen Absturzsicherung nicht über die ganze Länge des Bettes reicht, führt dies nicht zwangsläufig zur Haftung des Reiseveranstalters wegen Verletztung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht.

 

Normenkette

BGB § 253 Abs. 2, § 651 f., §§ 652, 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Urteil vom 14.03.2006; Aktenzeichen 2 O 488/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Baden-Baden vom 14.3.2006 - 2 O 488/05 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Anschlussberufungen der Klägerinnen werden zurückgewiesen.

III. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin zu 1 90 % und die Klägerin zu 2 10 %. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten behalten die Klägerinnen auf sich.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin zu 2 buchte bei der Beklagten eine Pauschalreise in die Türkei für die Zeit vom 13.5. bis 24.5.2005. Reiseteilnehmer waren außer ihr selbst ihr Ehemann sowie die zum Reisezeitpunkt 7 Jahre und 4 Monate alte Tochter C., die Klägerin zu 1, sowie eine weitere zum damaligen Zeitpunkt 11 Jahre alte Tochter der Klägerin zu 2. Die Klägerin zu 1 bezog in dem zugeteilten Zimmer das obere Etagenbett, ihre 11 Jahre alte Schwester das untere. In der zweiten Nacht, der Nacht vom 14. auf den 15.5.2005, fiel die Klägerin zu 1 aus dem Bett, verletzte sich im Bereich des rechten Ohres und zog sich eine Gehirnerschütterung zu. Aus diesem Unfall leitet die Klägerin zu 1 Ansprüche auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht, die Klägerin zu 2 begehrt die teilweise Rückzahlung des Reisepreises.

Das LG, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und der dort getroffenen Feststellungen verwiesen wird, hat beiden Klagen zum Teil stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klagen weiter verfolgt. Mit den Anschlussberufungen verfolgen die Klägerinnen den ihnen durch das LG aberkannten Teil ihrer Ansprüche weiter.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Anschlussberufungen der Klägerinnen haben keinen Erfolg.

1. Einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, auf den sich die Klägerin zu 1 alleine stützt (vgl. den Schriftsatz vom 15.5.2006, S. 3, II 23) steht der Klägerin nicht zu. Die Beklagte hat die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt.

a) Nach erkannten Rechtsgrundsätzen hat jeder, der eine Gefahrenlage schafft, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die nach der herrschenden Verkehrsauffassung ausreichend sind, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Damit ist Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass andere Rechtsgüter verletzt werden können (zusammenfassend BGH v. 8.11.2005 - VI ZR 332/04, BGHReport 2006, 233 = NJW 2006, 610, 611 = VersR 2006, 233 = MDR 2006, 569; NJW 2006, 2324 = VersR 2006, 1083 = MDR 2006, 1405).

b) Ausgehend hiervon hat die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Es ist nicht ersichtlich (und wird von der Klägerin zu 1 wohl auch nicht behauptet), dass das Etagenbett in dem der Familie der Klägerin zu 1 zugewiesenen Zimmer in jedem Fall und unabhängig von den konkreten Umständen ungeeignet war, um von Kindern benutzt zu werden. Denn es war jedenfalls mit einer gewissen Absturzsicherung versehen, die erwarten ließ, dass jedenfalls bei älteren Kindern und/oder bei Kindern mit ruhigem Schlaf eine Gefährdung durch Herausfallen nicht bestand. Im Übrigen konnte der Reiseveranstalter davon ausgehen, dass kleine Kinder oder Kinder, die unruhig schlafen, das Bett nicht benutzten, da die verbleibende Restgefahr angesichts der nicht über die ganze Länge des Bettes reichenden Absturzsicherung offenkundig war und deshalb nicht verborgen bleiben konnte. Deshalb durfte sowohl der Hotelier als auch der Reiseveranstalter darauf vertrauen, dass diese Umstände bei der Verteilung der Schlafplätze in dem Zimmer berücksichtigt und eine Gefährdung vermieden wird. Dass dies hier nicht geschehen ist und ausgerechnet der Klägerin zu 1 dieses Bett zum Schlafen zugewiesen wurde, ist nicht der Beklagten zuzurechnen und kann deren Verantwortlichkeit für den Unfall nicht begründen. Auch der Sturz der Klägerin zu 1 belegt eine Verkehrssicherungspflicht...

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