Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Bewilligung unter Berücksichtigung künftig erwarteter Vermögenszuwächse

 

Leitsatz (amtlich)

Der Partei sind entsprechend § 120 Abs. 1 Satz 2 ZPO künftige Leistungen aus dem Vermögen aufzuerlegen, wenn im Entscheidungszeitpunkt ein erheblicher Vermögenszuwachs in den nächsten 4 Jahren als sicher erscheint. Dabei können Ratenzahlungen aus dem zukünftigen Vermögens- und Einkommenszuwachs, aber auch eine einmalige Zahlung der gesamten Prozesskosten festgesetzt werden. Der Zahlungszeitpunkt ist entsprechend dem erwarteten Zahlungseingang zu bestimmen und mithin die Leistungen bis zu diesem Zeitpunkt zu stunden.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG (Aktenzeichen 11 F 833/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der die Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des AG - FamG - vom 0.00.2008 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegnerin wird für ihre Rechtsverteidigung im Ehescheidungsverfahren vor dem AG - FamG - Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Frau Rechtsanwältin P. beigeordnet. Ihr wird auferlegt, die von ihr zu tragenden Prozesskosten aus ihrem Vermögen zu zahlen, wobei diese Verpflichtung bis zum Ablauf des 31.12.2010 gestundet wird.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin hat für ihre Rechtsverteidigung im Ehescheidungsverfahren vor dem FamG um Prozesskostenhilfe nachgesucht. In ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gibt sie einen monatlichen Unterhaltsbezug von 500 EUR (gezahlt wird nach den Angaben des Antragstellers wohl derzeit nur noch 200 EUR monatlich) sowie eine Rente von etwa 165 EUR monatlich und eine Rente aus der Schweiz von 408,49 EUR jährlich an. Darüber hinaus hat sie Aufwendungen für Heizungskosten von 302,66 EUR/Monat, Aufwendungen an eine Baugenossenschaft, für Medikamente und für eine Putzhilfe. Zu ihrem Grundvermögen gibt sie an, dass sie zusammen mit ihrem Ehemann, dem Antragsteller, Eigentümerin eines Anwesens in L. (einem Dreifamilienhaus) ist, und zwar jeweils zu ½ Miteigentum. Unstreitig ist der Verkauf dieses Gebäudes beabsichtigt. Ein Makler ist beauftragt. Der Wert des Gebäudes beläuft sich auf mindestens 300.000 EUR, Schulden lasten auf diesem Grundstück nicht.

Das FamG hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 0.00.2008 der Antragsgegnerin die Prozesskostenhilfe versagt (ebenso auch dem Antragsteller mit gleicher Begründung im Beschluss vom 0.00.2008). Zur Begründung führt das FamG aus, dass die Antragsgegnerin gem. § 115 Abs. 3 ZPO zum Zwecke der Finanzierung der Prozesskosten verpflichtet sei, ihr Vermögen einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar sei. Das FamG verweist auf das Dreifamilienhaus in L., das derzeit nur von den Parteien bewohnt werde und unbelastet sei. Beide Parteien hegen die Absicht der Veräußerung des Hauses. Der Antragsgegnerin sei es möglich, einen Kredit bei einer Bank durch Absicherung ihres hälftigen Miteigentums zum Zwecke der Finanzierung der Prozesskosten für das Scheidungsverfahren aufzunehmen.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.4.2008. Sie weist darauf hin, dass sie über keine nennenswerte Einkünfte verfüge und daher auch keine Darlehen aufnehmen könne, da sie diese nicht bedienen könne. Das Haus könne nur eine Sicherheit darstellen. Erst bei erfolgtem Verkauf des Hauses sei eine bewilligte Prozesskostenhilfe aufzuheben.

Das FamG hat sodann mit Verfügung vom 21.4.2008 der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem OLG Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt.

Im Beschwerdeverfahren teilt die Antragsgegnerin später mit, dass sie mittlerweile aus der Immobilie ausgezogen sei und eine Mietwohnung bezogen habe. Sie weist nochmals darauf hin, dass sie ihr Vermögen derzeit nicht realisieren könne. Da sie nur über geringfügige Rentenbezüge verfüge, könne sie auch kein Darlehen aufnehmen, da sie die laufenden Zahlungen nicht erbringen könnte. Im Übrigen sei die Prozesskostenhilfe innerhalb von 4 Jahren zu überprüfen. Sobald die Immobilie veräußert sei, könne die Prozesskostenhilfe aufgehoben werden.

II. Die statthafte und auch form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. In Abänderung des angefochtenen Beschlusses des FamG ist der Antragsgegnerin für ihre Rechtsverteidigung im Ehescheidungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Allerdings ist anzuordnen, dass die Antragsgegnerin die Prozesskosten, soweit sie auf sie entfallen, vollständig aus ihrem Vermögen zu begleichen hat, wobei diese Verpflichtung zum Vermögenseinsatz bis zum Ablauf vom 31.12.2010 gestundet wird.

Der Antragsgegnerin ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, wobei im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin mit ihren geringen Renteneinkünften eine Ratenanordnung nicht in Betracht kommt...

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