Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtteilsanspruch

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 25.03.1999; Aktenzeichen 7 O 281/98)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 11.05.2005; Aktenzeichen 1 BvR 62/00)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Schluß-Urteil des Landgerichts Karlsruhe – 7 O 281/98 – vom 25.03.1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Beschwer der Beklagten liegt unter 60.000,00 DM.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Landgericht hat der Klage im zuletzt beantragten Umfang zu Recht stattgegeben.

Das Berufungsvorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, eine abweichende Entscheidung zu begründen.

1. Es kann offenbleiben, ob – wie das Landgericht annimmt – im Testament vom 31.08.1986 überhaupt eine Pflichtteilsentziehung hinsichtlich der Klägerin ausgesprochen ist, die allenfalls im Wege der Auslegung dem Text entnommen werden könnte.

2. Auch wenn dies zugunsten der Beklagten unterstellt wird, fehlt es vorliegend eindeutig daran, daß gemäß § 2336 Abs. 2 BGB der Erblasser verpflichtet ist, den Grund der Pflichtteilsentziehung in der testamentarischen Verfügung anzugeben, wobei von ihm nach ständiger Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 64, 549; BGHZ 86, 41; BGHZ 94, 36) verlangt wird, daß er sich auf einen oder mehrere bestimmte Vorwürfe festlegt und diese gerade in der Verfügung von Todes wegen festhält.

Damit hat der BGH für den Erblasser, der einen Pflichtteil entziehen will, Schwellen aufgebaut, die er im allgemeinen nicht leichthin überwinden wird. Er wird dadurch in besonderem Maße zu verantwortlichem Testieren angehalten. Das außerordentliche Gewicht und der demütigende Charakter der Pflichtteilsentziehung, die einer „Verstoßung über den Tod hinaus” nahe kommt, haben dazu geführt, daß das Gesetz die Wirksamkeit dieser Maßnahme auch in förmlicher Hinsicht sinnvoll an strenge Voraussetzungen knüpft. Die Rechtsprechung darf diese Förmlichkeiten nicht beiseite schieben (BGH NJW 85, 1554, 1556 m.w.N.).

Diese Anforderungen verkennt die Beklagte offenkundig.

Im Testament ist als Grund der Enterbung der Klägerin angegeben: „Wegen schwerer Kränkung und böswilliger Verleumdung”.

Bezogen auf den Katalog des § 2333 BGB können sich diese – nicht näher substantiierten – wertenden Beschreibungen allenfalls auf § 2333 Nr. 3 BGB beziehen.

Die Verbrechen und Vergehen gegen den Erblasser, die die Pflichtteilsentziehung gem. § 2333 Nr. 3 BGB rechtfertigen können, sind sehr unterschiedlich geartet. Unter ihnen mag es auch solche geben, die sich von den übrigen derart abheben, daß es ausreicht, wenn der Erblasser sie zur Begründung der Pflichtteilsentziehung im Testament lediglich mit Hilfe der Angabe des abstrakten Straftatbestandes bezeichnet. So könnte es sich etwa bei einem Mordversuch oder auch bei einer Brandstiftung verhalten. Bei solchen Delikten ist es möglich, daß der konkrete Vorgang, den der Erblasser meint, auch ohne Konkretisierung des Vorwurfs durch das Mittel näherer sprachlicher Umschreibung sowohl für die Beteiligten als auch für neutrale Dritte auf der Hand liegt. Das ist aber nicht so bei den hier in Rede stehenden „bloß” verbalen Vergehen der Verleumdung oder Kränkung (BGH NJW 85, 1554, 1555).

Die Schwere des vorsätzlichen Vergehens ist bereits Tatbestandsmerkmal des § 2333 Nr. 3 BGB, so daß sich aus dieser wertenden Bezeichnung nähere Konkretisierungen nicht ableiten lassen.

Vergehen wie Verleumdung oder – strafrechtlich als Tatbestandsmerkmal nicht faßbar – Kränkung sind, wenn sie weder räumlich noch dem Zeitpunkt oder den Umständen nach beschrieben und damit identifizierbar festgelegt werden, weniger leicht zu „greifen” und erst recht nicht unverwechselbar auszumachen (BGH a.a.O. S. 1555).

Voraussetzung ist vielmehr, daß der Erblasser im Testament selbst den oder die Entziehungsgründe unverwechselbar festlegt und den Kreis der in Betracht kommenden Vorfälle einigermaßen und praktisch brauchbar eingrenzt (BGH a.a.O. Seite 1555).

Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

Allerdings ist bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Pflichtteilsentziehung zunächst durch Auslegung zu ermitteln, worauf der Erblasser die Entziehungen stützen wollte. In diesem Zusammenhang ist bei der Auslegung eines Testaments die Analyse nicht auf den Wortlaut der Verfügung allein zu beschränken, vielmehr sind alle dem Gericht zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde auszuwerten, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens dienlich sein können (BGHZ 86, 41, 45; BGH NJW 85, 1554).

Derartige für den Senat zugängliche Umstände ergeben sich vorliegend jedoch weder – wie im Fall des BGH NJW 85, 1554 – aus Anlagen zum Testament noch in irgendeiner Weise substantiiert aus dem Vortrag der Beklagten. Diese hat – für den Senat sachlich nicht nachvollziehbar – in erster Instanz lediglich vorgetragen, der Pflichtt...

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