Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtteilsanspruch. Pflichtteilsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 2335 BGB i.d.F. durch das 1. EheRG berechtigt ehewidriges Verhalten, das nicht zugleich den Tatbestand des § 2335 Nr. 1-4 BGB erfüllt, nicht zur Entziehung des Ehegattenpflichtteils.

 

Normenkette

BGB § 2335

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Teilurteil vom 16.02.1988; Aktenzeichen 7 O 571/87)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16. Februar 1988 – 7 O 571/87 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Beschwer der Beklagten wird auf 1.500 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger macht einen ursprünglich abgetretenen Pflichtteilsanspruch seines Vaters gegen den Nachlaß der am 30.1.1987 in … verstorbenen … geb. … geltend, deren Alleinerbin die Beklagte aufgrund notariellen Testaments vom 2.10.1973 ist, und verlangt Auskunft über den Nachlaß.

Die Erblasserin war verheiratet mit dem inzwischen – am 16.4.1988 – ebenfalls verstorbenen … Der Kläger ist dessen nichtehelicher Sohn und aufgrund notariellen Testaments vom 23.2.1978 Alleinerbe seines Vaters.

Im notariellen Testament der Erblasserin vom 2.10.1973 heißt es u. a.:

„Mein Ehemann … enterbe ich. Außerdem entziehe ich ihm den gesetzlichen Pflichtteil, da er seit langer Zeit ein ehewidriges Verhältnis mit … in … hat.

Aus diesem Verhältnis ist auch ein jetzt 18 Jahre alter Sohn namens … hervorgegangen.”

Der Kläger hält die Pflichtteilsentziehung im Hinblick auf die Neufassung des § 2335 BGB durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.6.1976 für unwirksam.

Er hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt,

  1. dem Kläger über den Bestand des Nachlasses der am eines Bestandsverzeichnisses Auskunft zu erteilen sowie
  2. dem Kläger den Pflichtteil in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu berechnenden Höhe nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat

Klagabweisung

beantragt und behauptet, der Vater des Klägers sei zum Zeitpunkt der Abtretung des Pflichtteilsanspruchs geschäftsunfähig gewesen. Darüber hinaus sei die nach der früheren Fassung des § 2335 BGB wirksam erfolgte Pflichtteilsentziehung nach wie vor zu beachten. Im übrigen verstoße das 1. EheRG insoweit gegen Art. 14 des Grundgesetzes, als eine Übergangsregelung für Fälle der vorliegenden Art. nicht getroffen sei. Das Gesetz enthalte eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Erteilung der Auskunft verurteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zur Begründung wird auf das Urteil verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, es hätten auch weitere Pflichtteilsentziehungsgründe vorgelegen.

Sie beantragt,

das Teilurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16.2.1988 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Parteivorbringen wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte ist gem. § 2314 BGB verpflichtet, dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses der … geb. … zu erteilen.

1. Es kann dahinstehen, ob der Vater des Klägers bei Abtretung des Pflichtteilsanspruchs am 4.5.1987 geschäftsfähig war oder nicht. Der Kläger hat den Pflichtteilsanspruch jedenfalls inzwischen aufgrund des Testaments seines Vaters vom 23.2.1978 als dessen Alleinerbe erworben, § 2317 Abs. 2 BGB.

2. Die im Testament der Erblasserin ausgesprochene Pflichtteilsentziehung ist im Zeitpunkt des Erbfalls unwirksam gewesen.

a) Nach § 2335 BGB i.d.F. durch das 1. EheRG berechtigt ehewidriges Verhalten, das nicht zugleich den Tatbestand des § 2335 Nr. 1–4 BGB erfüllt, nicht zur Entziehung des Ehegattenpflichtteils. Zwar stellte zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments am 2.10.1973 das Verhalten des Ehemannes der Erblasserin und Vaters des Klägers noch einen Entziehungsgrund nach § 2335 BGB a. F. dar. Für die Frage, ob das Pflichtteilsrecht wirksam entzogen ist, kommt es jedoch auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Erbfalles an. Dies ergibt sich daraus, daß das 1. EheRG am 1.7.1977 in Kraft getreten ist und nicht bestimmt, daß bereits verfügte Pflichtteilsentziehungen auch nach diesem Zeitpunkt nach altem Recht zu beurteilen sind. Bei Rechtsänderungen im Erbrecht ist grundsätzlich auf das beim Erbfall geltende Recht abzustellen. Dieser allgemeine Grundsatz findet positiv-rechtlich Ausdruck in Art. 213 ff. EGBGB, wonach Inhalt, Wirkung und Auslegung letztwilliger Verfügungen nach dem jeweils beim Erbfall geltenden Recht zu beurteilen sind (vgl. Palandt/Heldrich, Art. 214 EGBGB Anm. 1). Dies entspricht auch der h. M. in Rechtsprechung und Literatur (vgl. RGZ 96, 201; Soergel/Dieckmann, BGB, § 2335 Rdnr. 3; Staudinger/Ferid/Ciesla...

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