Leitsatz (amtlich)

1. Eine im Darlehensvertrag einer Bank oder Bausparkasse vereinbarte pflichtweise Beteiligung des Darlehensnehmers an einem Mietpool (bei der Finanzierung einer Eigentumswohnung im Privatkundenbereich zu Anlagezwecken) ist in Deutschland gänzlich unüblich.

2. Die Beteiligung an einem Mietpool kann zwar einerseits das Mietausfallrisiko des Mietpool-Teilnehmers vermindern; andererseits ist der Beitritt zu einem Mietpool jedoch gleichzeitig mit einer Vielzahl kaum erkennbarer Risiken verbunden insb., wenn dem Mietpool-Verwalter weitreichende Befugnisse eingeräumt werden.

3. Die Einrichtung eines Mietpools birgt vor allem das Risiko, dass die regelmäßigen Ausschüttungen des Pools fahrlässig oder vorsätzlich zu hoch kalkuliert werden. Überhöhte Ausschüttungen können zu Täuschungszwecken dienen, um beim Erwerb der Wohnung falsche Vorstellungen beim Käufer über den Zustand des Gesamtobjekts und über die Rentabilität der Wohnung hervorzurufen.

4. Eine Bank oder Bausparkasse, die die Auszahlung eines Darlehens zur Immobilienfinanzierung an die Bedingung eines Beitritts zu einem Mietpool knüpft, muss den Darlehensnehmer über alle abstrakten und konkreten Risiken des Mietpools aufklären (Besonderer Gefährdungstatbestand).

5. Vorsätzlich und systematisch falsche (fiktive) Beleihungswertermittlungen im Hause einer Bausparkasse können einen aufklärungsrelevanten besonderen Gefährdungstatbestand begründen, wenn auf Grund bestimmter Umstände betrügerisch überhöhte Ausschüttungen eines Mietpools provoziert oder begünstigt werden.

6. Eine Immobilienfinanzierung mit zwei Bausparverträgen und einem Vorausdarlehen ist eine intransparente Finanzierungskonstruktion. Eine Bausparkasse, die ein solches Produkt ihrem Kunden über einen Handelsvertreter anbietet oder vorschlägt, muss den Kunden über den Finanzierungsverlauf und die Risiken und Unwägbarkeiten im Einzelnen aufklären.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 05.12.2000; Aktenzeichen 11 O 95/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.03.2007; Aktenzeichen XI ZR 414/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 5.12.2000 - 11 O 95/00 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.689,36 Euro (22.862,41 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.9.2000 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von allen Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag mit der L.B.-W. zu Darlehenskontonummer 6 ... freizustellen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, ein Angebot der L.B.-W. auf Rückabtretung der zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche der Klägerin aus den Bausparverträgen mit der Beklagten Nr. 5 .... 1 und 5 ... 2 an die Klägerin herbei zu führen.

4. Die Verurteilung der Beklagten zu Ziff. 1, Ziff. 2 und Ziff. 3 erfolgt jeweils Zug um Zug gegen kostenneutrale Abgabe sämtlicher Erklärungen, die zur Übertragung des im Wohnungsgrundbuch von S., Bl. 7088 des AG S., eingetragenen Wohnungseigentums, bestehend aus einem 3,206/1.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung S., Flur 9, Flurstück 339 zur Größe von 20.675 qm verbunden mit dem Sondereigentum der Wohnung Nr. 88 des Aufteilungsplanes im Block C, 2. OG, Typ A. nebst Kellerraum, mit sämtlichen im Grundbuch eingetragenen und nicht eingetragenen Belastungen und Beschränkungen, auf die Beklagte erforderlich sind.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche ab Juni 2000 entstandenen und künftig noch entstehenden Schäden zu ersetzen, die im Zusammenhang mit dem Kauf der in Ziff. 4 bezeichneten Immobilie stehen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 125.000 Euro, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz nach einem aus ihrer Sicht gescheiterten Erwerb einer Eigentumswohnung im Jahre 1997. Die Beklagte war als Bausparkasse mit der Finanzierung des Erwerbs befasst.

Die Beklagte arbeitete in der Vergangenheit zum Vertrieb ihrer Bausparprodukte mit den Firmen der H & B-Gruppe (im Folgenden abgekürzt: H & B) zusammen. In mehreren tausend Fällen suchten Vermittler der H & B Kunden auf, wobei gleichzeitig durch denselben Vermittler einerseits der Erwerb einer Eigentumswohnung vermittelt wurde und andererseits eine Finanzierung unter Beteiligung der Beklagten. Die Vermittler traten ggü. den Kunden als Handelsvertreter der Beklagten (bzw. als selbständige oder unselbständige Mitarbeiter einer Handelsvertreterin) auf (Beklagtenvortrag II/433). Die Finanzierungen sahen meist eine Vollfinanzierung (Kaufpreis und Nebenkosten) durch ein Vorausdarlehen einer Bank vor, wobei gleichzeitig zwei Bausparverträge bei der Beklagten mit unterschiedlichen Zuteilungszeitpunkten zur späteren Tilgung des ...

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