Leitsatz (amtlich)

1. Eine Bank oder eine Bausparkasse, die ihren Kunden im Zusammenhang mit einer Immobilienfinanzierung dazu veranlasst, einem Mietpool beizutreten, muss den Kunden vorher über die Risiken des Mietpools aufklären. Eine Verletzung dieser Aufklärungspflicht verpflichtet die Bank zum Schadensersatz, wozu insb. auch die Rückabwicklung des Immobilienerwerbs gehören kann.

2. Auch in den Übergangsfällen (Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB) beginnt die Verjährungsfrist nur dann, wenn der Gläubiger sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen kennt oder ohne grobe Fahrlässigkeit kennen müsste.

3. Die Bankenhaftung bei Aufklärungspflichtverletzungen gehört - jedenfalls in den sog. Schrottimmobilien-Fällen - zu den komplexesten und schwierigsten Rechtsfragen des Zivilrechts. Es liegt daher in solchen Fällen unter Umständen eine "verwickelte Rechtslage" nicht fern, die einem Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB) entgegensteht.

4. Zur Bankenhaftung beim Aufklärungstatbestand des "Wissensvorsprungs" (Konsequenzen aus der Einschränkung der Bankenhaftung durch die Entscheidung des BGH v. 16.5.2006 - XI ZR 6/04, BGHReport 2006, 1036 m. Anm. Allmendinger = MDR 2006, 1059 = NJW 2006, 2099).

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Beschluss vom 09.03.2006; Aktenzeichen 10 O 118/06)

 

Tenor

1. Der Beschluss des LG Karlsruhe vom 9.3.2006 - 10 O 118/06 - wird aufgehoben.

2. Das Verfahren wird an das LG Karlsruhe zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag der Antragsteller zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Antragsteller verlangen von den beiden Antragsgegnerinnen Schadensersatz nach einem aus ihrer Sicht gescheiterten Erwerb einer Eigentumswohnung im Dezember 1996/Januar 1997 in P. Die beiden Antragsgegnerinnen waren (durch Bausparverträge und einen Vorausdarlehensvertrag) mit der Finanzierung des Erwerbs befasst.

Die Antragsteller sind im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnung einem sog. Mietpool beigetreten. Vor Abschluss der Verträge wurden den Antragstellern in einem "Besuchsbericht" bestimmte Mietpoolausschüttungen in Aussicht gestellt. Die Antragsteller machen geltend, diese Ausschüttungen seien zu Täuschungszwecken zu hoch kalkuliert worden, um bei den Kunden falsche (überhöhte) Renditeerwartungen zu wecken. Im Darlehensvertrag zwischen den Antragstellern und den Antragsgegnerinnen (Anlage D 8) wurde den Antragstellern der "Beitritt in eine Mieteinnahmegemeinschaft, die nur mit unserer Zustimmung gekündigt werden darf" zur Bedingung für die Auszahlung von Vorfinanzierungsdarlehen und Bauspardarlehen gemacht.

Mit Beschluss vom 9.3.2006 hat das LG Karlsruhe den Prozesskostenhilfeantrag der Antragsteller zurückgewiesen. Das LG hat ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die geltend gemachten Ansprüche verjährt seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller. Sie sind weiterhin der Auffassung, die beabsichtigte Klage biete hinreichende Aussicht auf Erfolg.

II.1. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller ist begründet. Entgegen der Auffassung des LG bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO). Da das LG - von seinem Standpunkt aus konsequent - die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller noch nicht geprüft hat, macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, die Prozesskostenhilfebewilligung - nach Maßgabe der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller - dem LG zu übertragen.

2. Die beabsichtigte Klage ist - entgegen der Auffassung des LG - schlüssig. Es erscheint hinreichend wahrscheinlich, dass den Antragstellern gegen beide Antragsgegnerinnen ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss) zusteht. Nach dem schlüssigen Vorbringen der Antragsteller haben die Antragsgegnerinnen Aufklärungspflichten verletzt. Aus dem Vorbringen der Antragsteller ergeben sich Schadensersatzansprüche gegen beide Antragsgegnerinnen dergestalt, dass die Antragsteller so zu stellen sind, wie wenn sie die maßgeblichen Verträge (Mietpool-Vertrag, Immobilienkaufvertrag und Finanzierungsverträge) nicht abgeschlossen hätten. Daher ist eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO hinsichtlich der im Schriftsatz vom 5.12.2005 angekündigten Anträge zu bejahen.

3. Nach dem - für die Prozesskostenhilfebewilligung maßgeblichen - Vorbringen der Antragsteller haben die Antragsgegnerinnen vorvertragliche Aufklärungspflichten in mehrfacher Hinsicht verletzt:

a) Die beiden Antragsgegnerinnen haben die von den Antragstellern erworbene Eigentumswohnung finanziert (durch Bausparverträge einerseits und Darlehensvertrag andererseits). Aus dem Vortrag der Antragsteller ergibt sich eine Verletzung von Aufklärungspflichten über die Finanzierungskonstruktion, insb. im Hinblick auf die Dauer der Finanzierung und die mit der Finanzierung verbundenen Unwägbarkeiten und Risiken (vgl. hierzu...

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