Entscheidungsstichwort (Thema)

Forderung

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Urteil vom 30.04.1991; Aktenzeichen 7 O 58/90)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters bei der 7. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 30. April 1991 im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer beträgt 4.126,00 DM.

 

Gründe

(gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

Ansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Rechts der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stehen dieser nicht zu. Denn ein betriebsbezogener Eingriff in den Gewerbebetrieb der Gaststätte ist nicht erfolgt. Die Handlung des Beklagten richtete sich nur gegen die einmalige abendliche Rockmusikveranstaltung im Hof der Gaststätte. Der übrige Gaststättenbetrieb wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Ein Eingriff in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb setzt voraus, daß die Beeinträchtigung sich gegen solche Erscheinungsformen eines Gewerbebetriebes richtet, die mit der rechtmäßigen Ausübung der Gewerbefreiheit verbunden sind. Dies kann für diese einmalige Rockmusikveranstaltung nicht festgestellt werden. Zwar zählt eine Musikveranstaltung, die nur für die Gäste bestimmt ist, zu den üblichen Erscheinungsformen des Betriebes einer Gastwirtschaft. Vorliegend waren jedoch durch die Musikdarbietung im Freien die Belange der Nachbarschaft in weitem Umfang beeinträchtigt, was sich schon aus dem Umstand ergibt, daß die Klägerin es für erforderlich gehalten hatte, ihren Sohn einige Wochen vor der Veranstaltung in der Nachbarschaft mit einem Hinweis auf die bevorstehende Darbietung herumzuschicken. Auch die Bekundung des für die öffentlich-rechtliche Genehmigung einer solchen Veranstaltung zuständigen Zeugen S., wonach die Klägerin sich wohl etwas anderes hätte einfallen lassen müssen, wenn man vorher gewußt hätte, daß es sich nicht um eine gewöhnliche Musikveranstaltung, sondern um ein Rockkonzert handelte, zeigt, daß die Klägerin zumindest nicht nachgewiesen hat, daß es sich um eine rechtmäßige Ausübung des Betriebes einer Gastwirtschaft handelte. Die Klägerin durfte weder darauf vertrauen, daß eine derartige Veranstaltung wirksam genehmigt worden war, weil sie wesentliche Umstände der Behörde verschwiegen hatte; noch durfte sie annehmen, daß sie in zivilrechtlicher, nachbarrechtlicher Hinsicht auch nur dieses eine Rockkonzert unbeanstandet durchführen konnte. Geschützt im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB ist nur der rechtlich zulässige Gewerbebetrieb. Es geht nicht an, auch widerrechtliche Erscheinungsformen eines Gewerbebetriebes in den Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB einzubeziehen. Dabei gehört es zur Vortragslast der Klägerin, daß der beeinträchtigte Betrieb in vollem Umfang rechtlich zulässig gewesen wäre. Der unstreitige Umstand, daß es sich um ein Rockkonzert handelt, das dem Wesen der Rockmusik entsprechend mit überstarker Lautstärkeentwicklung verbunden ist, und die weiter unstreitige Tatsache, daß in einer geringen Entfernung von 40 m zu einem Wohnhaus in einer Wohngegend Lautsprecher mit einer Leistung von 1000 Watt im Freien betrieben werden, begründet bereits derartige Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Gewerbeausübung, daß von einem Eingriff in einen vom Gesetz geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden kann.

Es kann deshalb dahingestellt bleiben, daß das Vorgehen des Beklagten, dessen Abhilfeverlangen von der Klägerin und der benachrichtigten Polizei abgelehnt worden waren und der deshalb Gefahr lief, seinen Unterlassungsanspruch nicht mehr durchsetzen zu können, möglicherweise auch unter dem Gesichtspunkt der Notwehr und der Selbsthilfe gegen die Lärmimmissionen gerechtfertigt war. Die öffentlich-rechtliche Genehmigung einer Musikveranstaltung, selbst wenn sie sich auf das tatsächlich veranstaltete Rockkonzert bezogen hätte, bedeutete keinerlei Einschränkung der zivilrechtlichen Abwehrmöglichkeiten eines Nachbarn, der sich gegen Lärmimmissionen wehren möchte.

Demgemäß war auf die Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.

 

Unterschriften

Dr. Maier, Schmidtborn, Dr. Parmentier

 

Fundstellen

Haufe-Index 798313

NJW 1992, 1329

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