Leitsatz (amtlich)

Wenn die possessorische Klage und die petitorische Widerklage beide begründet und gleichzeitig entscheidungsreif sind, ist die Klage zur Vermeidung widersprechender Verurteilungen entsprechend § 864 Abs. 2 BGB abzuweisen und der Widerklage stattzugeben.

 

Verfahrensgang

LG (Urteil vom 07.11.2014; Aktenzeichen 5 O 97/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des LG [...] vom 7.11.2014 - 5 O 97/14 - dahingehend abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird. Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des LG [...] vom 29.7.2015 - 5 O 97/14 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Schlussurteil des LG [...] vom 29.7.2015 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um einen von der Wohnungseigentümergemeinschaft errichteten Zaun. Mit der possessorischen Klage wird dessen Entfernung wegen verbotswidrigen Eingriffs in Besitzrechte des Klägers, mit der petitorischen Widerklage die Feststellung der Berechtigung der Errichtung des Zauns geltend gemacht.

Die Beklagte, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, ist Eigentümerin des Flurstücks Nr. [...] in [X.]. Durch Teilungserklärung der Notarin [...], [...], Urkundenrolle Nr. [...], vom 28.04.1998 (Anlage K 6) haben die Mitglieder der Beklagten das Eigentum an dem Grundstück in Miteigentumsanteile nach § 8 WEG geteilt. Die Teilungserklärung nimmt unter "I. Nr. 2" (S. 3) auf einen Aufteilungsplan vom 24.11.1997 Bezug und behandelt auf S. 9 (§ 1 am Ende) das Sondereigentum "an dem Laden L1 verbunden mit dem Sondernutzungsrecht an dem gesamten Parkplatz südlich der südlichen Gebäudeflucht mit den Parkplätzen 1-60". § 16 Nr. 3 (S. 28) der Teilungserklärung enthält nähere Sonderbestimmungen für das Teileigentum Laden L 1:

"Zum Teileigentum Laden L 1 gehören die im Plan Nr. 1 bis 60 gekennzeichneten, ebenerdigen Parkplätze zur alleinigen Nutzung. Der Teileigentümer ist berechtigt, durch entsprechende Beschilderung darauf hinzuweisen, dass die Kundenparkplätze während der Geschäftszeiten nur von Kunden des Teileigentums benutzt werden dürfen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um diese Nutzung uneingeschränkt sicherzustellen... Die Unterhaltung der Parkplätze, der Zu- und Abfahrtswege sowie der Fassade des Teileigentums ist ausschließlich Sache des Teileigentümers. Innerhalb des Teileigentums darf der Teileigentümer Um- und Einbauten sowie Installationen und Umnutzungen von Flächen vornehmen... Im Übrigen ist der Teileigentümer berechtigt, Nutzungen auf dem Grundstück vorzunehmen, die typischerweise mit dem Betrieb eines Verbrauchermarktes im Zusammenhang stehen."

Befahren wird der Parkplatz über eine Zufahrt von der aus Sicht des Parkplatzes in östlicher Richtung gelegenen [...]-Straße. Nach III § 11 Nr. 3f der Teilungserklärung (Anlage K 6, S. 22) gilt bezüglich des Teileigentums Laden L 1 die Sonderregelung, dass der Teileigentümer die Nebenkosten zu tragen hat für "die Straßenreinigung und Schneebeseitigung und Pflege der Grünanlagen im Geltungsbereich des Teileigentums L 1".

Das Teileigentum Laden L 1 ist der [A.] GbR, einem Mitglied der Beklagten, zugewiesen. Diese hat im Juni 1998 den seinerzeit noch zu errichtenden Lebensmittelmarkt nebst Parkplatz an die Fa. [B.] mbH vermietet, die ihrerseits die Fläche an den Kläger untervermietet hat.

Zum Zeitpunkt der Vermietung durch die [A.] GbR an die Fa. [B.] mbH im Juni 1998 war die Vermieterin noch nicht Eigentümerin. Da noch kein amtlicher Lageplan vorlag, sondern dieser erst am 22.7.1998 vorgelegt wurde (Anlage B 1), bestimmten die Mietvertragsparteien den Mietgegenstand provisorisch mit einem Vertragsplan (Anlage K 2). Nach dem Mietvertrag der [A.] GbR mit der [B.] mbH (Anlage K 3) ist die Mietfläche im Lageplan "vom 04.06.1998 rot umrandet" (§ 1, Nr. 1.1 [Seite 2 des Vertrags]). Im Plan vom 4.6.1998 (Anlage K 4) ist der streitgegenständliche Bereich weiträumig mit umfasst. Nach Nr. 1.2. des Mietvertrags ist maßgebend für den Mietgegenstand "die Außenanlage, wie sie sich aus dem angehängten Vertragsplan und den noch zu erarbeitenden, detaillierten Baugenehmigungsunterlagen einschließlich Lageplan ergeben... Alle noch zu erarbeitenden und daraufhin freigezeichneten Pläne werden wesentliche Bestandteile dieses Vertrags und bedürfen daher der Unterzeichnung beider Parteien." Im Lageplan vom 22.7.1998 (Anlage B 1) endet das Grundstück der Beklagten hinter den Parkplätzen 53 bis 61 mit einem schmalen Streifen. Das angrenzende, nicht bebaute Grundstück gehört der [C.] AG.

Die [B.] mbH wiederum hat das Ladengeschäft zunächst an die [D.] GmbH, dann am 1.9.2013 mit Wirkung zum 1.10.2013 an den Kläger vermietet (Anlage K 5). Der Mietvertrag sieht in § 1 Nr. 1.1 als Mietgegenstand u.a. "Freifläche als Nutzung als Parkplatz" vor und nimmt unter Nr. 1.3 auf den als Anlage 1 beigefügten Plan Bezug, in dem mit rot im westlichen Bereich ei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge