Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrsunfall mit Auslandsberührung: Anwendung deutschen Rechts auf den Innenausgleich zweier ausländischer Haftpflichtversicherer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anwendung deutschen Rechts auf den Innenausgleich der Haftpflichtversicherer von Zugfahrzeug und Anhänger nach einem Unfall des Gespanns in Deutschland im Jahr 2016 in Fällen, in denen sowohl das Zugfahrzeug als auch der Anhänger im Ausland in je unterschiedlichen Ländern zugelassen und haftpflichtversichert waren (Fortführung von BGH, Urteil vom 03.03.2021 - IV ZR 312/19).

2. Zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte in einem solchen Fall.

 

Normenkette

EGBGB Art. 46d; EuGVVO Art. 7, 26; Rom I-VO Art. 7; Rom II-VO Art. 19-20; VVG § 78 (in der vom 01.01.2008 bis 16.07.2020 geltenden Fassung)

 

Verfahrensgang

LG Mosbach (Urteil vom 15.07.2020; Aktenzeichen 2 O 365/19)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 15.07.2020, Az. 2 O 365/19, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Mosbach ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien, zwei Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer, streiten um Ausgleichsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte, nachdem die Klägerin einen am 19.01.2016 in Deutschland eingetretenen Verkehrsunfallschaden gegenüber dem Unfallgeschädigten reguliert hat.

Die Klägerin, eine slowakische Aktiengesellschaft, ist Haftpflichtversicherer der Zugmaschine eines Sattelschleppers mit dem amtlichen slowakischen Kennzeichen .... Die in Österreich ansässige Beklagte war zum Unfallzeitpunkt Haftpflichtversicherer des Anhängers mit dem amtlichen österreichischen Kennzeichen ..., der während des Unfallereignisses als Auflieger mit der vorgenannten Zugmaschine des Sattelschleppers verbunden war. Beide Versicherungsverträge wurden nach dem 16.12.2009 geschlossen.

In den für den Versicherungsvertrag der Beklagten hinsichtlich des Anhängers geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [AKHB 2007]) heißt es auszugsweise:

"Artikel 4

Wo gilt die Versicherung? (Örtlicher Geltungsbereich)

1.Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf Europa im geographischen Sinn, jedenfalls aber auf das Gebiet jener Staaten, die das Übereinkommen zwischen den nationalen Versicherungsbüros der Mitgliedsstaaten des europäischen Wirtschaftsraums und anderer assoziierter Staaten vom 30. Mai 2002 [...] unterzeichnet haben (siehe Anlage).

[...]

Artikel 5

Wie ist der Versicherungsschutz im Ausland geregelt?

1. Im Gebiet jener Staaten, für die eine internationale Versicherungskarte (Grüne Karte) ausgestellt oder auf deren Vorlage durch das Übereinkommen [...] verzichtet worden ist, erstreckt sich die Versicherung jedenfalls auf den in dem betreffenden Staat für Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen vorgeschriebenen, mindestens jedoch den im Versicherungsvertrag vereinbarten Umfang.

[...]

Artikel 21

Welche Sonderbestimmungen für einzelne Arten von Fahrzeugen und Kennzeichen gibt es?

[...]

2. Anhänger

2.1 Die Versicherung von Anhängern umfasst unbeschadet des Pktes. 2.2 nur die Versicherungsfälle, die nicht mit dem Ziehen des Anhängers durch ein Kraftfahrzeug zusammenhängen. [...]

2.2 Die Versicherung von Anhängern umfasst auch Versicherungsfälle, die mit dem Ziehen des Anhängers durch das Zugfahrzeug zusammenhängen und zwar

2.2.1 hinsichtlich der Ersatzansprüche von Insassen eines Omnibusanhängers.

2.2.2. Hinsichtlich der Schäden durch das mit dem Anhänger zur Beförderung gefährlicher Güter beförderte gefährliche Gut [...]

2.2.3 Bei Anhängern mit ausländischen Kennzeichen, die das Kennzeichen des inländischen Kraftfahrzeugs führen (§ 83 KFG), sind alle Versicherungsfälle in die Versicherung des Zugfahrzeugs eingeschlossen."

Der Unfall ereignete sich, da der Fahrer des von den Parteien versicherten Sattelzugs im Bereich einer Baustelle in der Gemarkung der Gemeinde Wertheim auf der BAB 3 die rechte Fahrspur nicht einhielt und dadurch mit dem auf der linken Fahrspur fahrenden Fahrzeug des in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Geschädigten A kollidierte. Dem Geschädigten entstanden durch den Unfall Schäden in einem Umfang von 16.755,27 EUR, welche die Klägerin vollumfänglich regulierte.

Die Klägerin machte die Hälfte des regulierten Betrags, (gerundet) 8.377,64 EUR, im Wege des Ausgleichs bei Mehrfachversicherung gegenüber der Beklagten geltend. Diese lehnte eine Zahlung ab.

Die Klägerin hat vorgetragen,

es handle sich in der vorliegenden Konstellation um einen nach deutschem Recht zu bewertenden Fall der Mehrfachversicherung, so dass ihr als Versicherer des Zugfahrzeugs ein hälftiger Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte als Versicherer des Anhängers zustehe. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf eine bloß subsidiäre Haftung berufen.

Die...

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