Leitsatz (amtlich)

Zum Nachweis der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, wenn das Antragsformular vom Versicherungsvermittler ausgefüllt worden ist.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 30.12.2008; Aktenzeichen 4 O 124/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 30.12.2008 - 4 O 124/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien bestehende Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung nicht durch Rücktritt der Beklagten beendet wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung des Bestehens eines Versicherungsvertragsverhältnisses über eine Risikolebens- und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

Am 25.6.2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den Abschluss einer verbundenen Risikolebens- und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Ausweislich des Versicherungsscheins war u.a. für den Leistungsfall der Berufsunfähigkeit eine monatliche Rente i.H.v. EUR 1.500 vereinbart sowie die Befreiung von der Beitragspflicht. Der Beitrag betrug zuletzt 95,20 EUR monatlich.

Im Antragsformular, das der Versicherungsvermittler H ausfüllte, ist die Frage 3

"Sind Sie in den letzten 5 Jahren wegen Krankheiten, Beschwerden oder Störungen untersucht, beraten oder behandelt worden hinsichtlich Herz, Kreislauf, innere Organe, Harnwege, Bluthochdruck, Atmungsorgane, Gefäße, Drüsen, Gehirn, Nerven, Psyche, Blut, Zucker, Stoffwechsel, Krebs, Tumore, Knochen, Gelenke, Wirbelsäule, Muskeln, Augen, Ohren, Haut, Allergien, Infektionen, Verletzungen, Alkohol- oder Drogenkonsum? bejaht. Im Raum für Erläuterungen zu den Fragen 2-7 ist zur Frage 3 vermerkt

"Schwangerschaft im 5. Monat, bisher komplikationsloser Verlauf ... Dr. K."

Im Herbst 2006 reichte die Beklagte einen Leistungsantrag bei der Klägerin wegen einer Berufsunfähigkeit ein. Mit Schreiben vom 28.9.2006 forderte die Beklagte die Klägerin zur Vervollständigung und Einreichung eines Ergänzungsfragebogens für Selbständige sowie zu einer Selbstauskunft zur Berufsunfähigkeit auf. Die Beklagte holte eine Auskunft bei dem Hausarzt der Klägerin Dr. P ein. Auf den Bericht vom 29.11.2006 wird Bezug genommen. Danach hat Dr. P im Jahr 2002 bei der Klägerin Rückenschmerzen diagnostiziert. Mit der ärztlichen Bescheinigung vom 1.2.2007 erklärte Dr. P, dass die Klägerin Ende Oktober 2002 unter einem Schulter-Arm-Syndrom gelitten habe und deshalb 16 Tage krank geschrieben gewesen sei. Mit Schreiben vom 4.1.2007, welches der Klägerin am 5.1.2007 zugegangenen ist, erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag in Bezug auf die Berufunfähigkeits-Zusatzversicherung wegen nicht durch die Klägerin angezeigter "Rückenschmerzen" im Jahr 2002. Mit Schreiben vom 19.4.2007 teilte die Beklagte mit, dass sie an dem von ihr erklärten Rücktritt festhalte. Mit Schriftsatz vom 28.5.2008 stützt die Beklagte ihre Rücktrittserklärung zudem darauf, dass die Klägerin im Oktober 2002 unter einem Schulter-Arm-Syndrom gelitten hat und deswegen 16 Tage krank geschrieben war.

Die Klägerin hat ausgeführt, der Rücktritt sei nicht wirksam durch die Beklagte erklärt worden. Die von Dr. P in seinem Bericht vom 28.11.2006 bezeichneten Rückenschmerzen stellten eine Bagatellerkrankung dar. Des Weiteren fehle die für einen Rücktritt erforderliche Erheblichkeit der Erkrankung der Klägerin für den Abschluss des Vertrages. Soweit sich die Beklagte als Rücktrittsgrund auf das Schulter-Arm-Syndrom stütze, sei die Rücktrittsfrist gem. § 20 VVG nicht eingehalten worden. Das Nachschieben von Gründen sei unzulässig. Sie habe das Schulter-Arm-Syndrom nicht mehr erinnert und schon aus diesem Grund nicht angezeigt.

Die Klägerin hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien bestehende Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung nicht durch den Rücktritt der Beklagten vom 4.1.2007 beendet wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe die im Vertragsformular gestellten Fragen in Kenntnis des Vorliegens anzeigepflichtiger Umstände falsch beantwortet. Daher sei die Beklagte wirksam gem. §§ 16, 17 VVG vom Vertrag zurückgetreten. Die gem. § 20 VVG zu wahrende Frist von einem Monat ab Kenntnis des Versicherers von der Verletzung der Anzeigepflicht habe sie eingehalten, da der Beklagten der Arztbericht von Dr. P am 18.12.2006 zugegangen sei. Bei den Vorerkrankungen der Klägerin handele es sich um gefahrerhebliche Umstände i.S.d. § 16 VVG. Hätte die Klägerin angegeben, dass sie au...

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