Leitsatz (amtlich)

Bei einem Verkehrsunfall mit besonders schweren, insbesondere tödlichen Unfallfolgen kommt die Vollstreckung einer verhängten Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zur Verteidigung der Rechtsordnung nach § 56 Abs. 3 StGB dann in Betracht, wenn der Unfall Folge eines besonders groben und rücksichtslosen Verkehrsverstoßes ist. Die falsche Einschätzung einer Verkehrssituation oder die bloße Überschätzung der eigenen Fähigkeiten im Umgang mit einem Kraftfahrzeug genügt hierfür ohne Hinzutreten weiterer Umstände jedoch nicht.

 

Tenor

  • 1.

    Die Revision der Staatsanwaltschaft X. gegen das Urteil des Landgerichts Y. vom 05. März 2002 wird als unbegründet verworfen.

  • 2.

    Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Z. verurteilte den Angeklagten am 13. 12. 1999 wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Auf die Berufung des Angeklagten ermäßigte das Landgericht X. das Strafmaß auf eine Freiheitsstrafe von 13 Monaten, deren Vollstreckung es ebenfalls als notwendig ansah. Diese Entscheidung hob der Senat mit Beschluss vom 05. 12. 2001 (1 Ss 55/01) im Rechtsfolgenausspruch auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts X. zurück. Mit dem angefochtenen Urteil hat dieses nunmehr auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr erkannt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit welcher sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

Nach den getroffenen Feststellungen unternahm der zum damaligen Zeitpunkt 24jährige Angeklagte mit seinem Sportwagen der Marke Lotus Esprit am Nachmittag des 07. 06. 1999 gemeinsam mit einem Freund eine "Spritztour" von Z. aus kommend in Richtung S. , wobei das vom Angeklagten gesteuerte Fahrzeug auf trockener Fahrbahn aufgrund eines Fahrfehlers des Angeklagten in einer Linkskurve bei einer Geschwindigkeit von 127 km/h vor dem Ortseingang von H. ins Scheudern geriet und mit dem entgegenkommenden Fahrzeug der 36jährigen Andrea R. zusammenprallte. An den schweren Folgen ihrer Verletzungen verstarb die Frau noch am Unfalltag, während der Angeklagte eine Nierenquetschung mit sich anschließendem 10tägigem Krankenhausaufenthalt und sein Beifahrer mehrere Prellungen erlitten. Andrea R. hinterlässt zwei damals fünf und neun jährige Kinder, welche nunmehr durch ihren Vater - den Nebenkläger Thomas R. -betreut werden müssen. Auch dieser leidet an den Folgen des Unfalls - auch durch aufgetretene körperliche Erkrankungen - schwer und befindet sich seither in psychischer ambulanter Behandlung.

II.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1.

Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist die Strafzumessung nicht zu beanstanden. Die Festsetzung der Strafe ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Das Revisionsgericht darf daher nur eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht lässt oder sich die Strafe so weit nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie nicht mehr innerhalb des Spielraums liegt, der dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumt ist. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Rechtsfehler nicht vor, insbesondere hat das Landgericht auch das unmittelbar vor der Tat liegende Vorverhalten des Angeklagten berücksichtigt. Zwar findet in der eigentlichen Strafzumessung keine ausdrückliche Erwähnung, dass der Angeklagte bereits vor dem Unfall ein Fahrzeug überholt hatte, welches zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mit dem Gegenverkehr abgebremst hatte; dieses Fahrverhalten des Angeklagten hat die Kammer aber im Rahmen der Bewährungsentscheidung durchaus umfassend berücksichtigt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht diesen Umstand bei der kurz zuvor erwogenen Strafzumessung aus den Augen verloren hatte.

2.

Auch die von der Strafkammer nunmehr bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung weist keinen Rechtsfehler auf.

Dass dem bislang nicht vorbestraften, sozial und beruflich integrierten Angeklagten eine günstige Sozialprognose - wie von der Strafkammer angenommen - gestellt werden kann, steht außer Frage und wird auch von der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen.

Entgegen deren Ansicht ist die Bewilligung einer Strafaussetzung aber nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gebietet.

a.

Nach § 56 Abs. 3 StGB wäre dies nur der Fall, wenn eine Strafaussetzung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte. Die hierin zum Ausdruck kommenden general-präventiven Erwägungen dürfen indes nicht daz...

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