Leitsatz (amtlich)

›Zur notwendigen nachprüfbaren tatrichterlichen Darlegung der günstigen Sozialprognose, wenn die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, obwohl der Angeklagte bereits mehrfach erheblich vorbestraft ist, längere Freiheitsstrafen verbüßt, sich wiederholt als Bewährungsversager erwiesen und auch die neue Straftat während des Laufes einer Bewährungszeit begangen hat.‹

 

Gründe

I. Das Amtsgericht Langenfeld (Rhld) hat den Angeklagten am 18. Juni 1999 wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat die Strafkammer durch das angefochtene Urteil verworfen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel ist begründet.

II. Die Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung war wirksam, so daß der Schuldspruch und der Strafausspruch in Rechtskraft erwachsen sind.

Die Berufung kann grundsätzlich auf die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt werden (BGHSt 24, 164; 11, 395; OLG Hamburg JR 79, 258 m. Anm. Zipfel; OLG Karlsruhe NJW 1980, 133).

Das gilt nur dann nicht, wenn sich die Frage der Strafaussetzung nicht von der Strafzumessung trennen läßt, weil z.B. die Feststellungen fehlerhaft oder unzulänglich sind oder sich ein Rechtsfehler sowohl auf die Bemessung der Strafhöhe als auch auf die Aussetzungsfrage ausgewirkt hat. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Wie sich aus den Gründen des amtsgerichtlichen Urteils ergibt, besteht zwischen Strafzumessungsgründen und den Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung kein untrennbarer Zusammenhang; insbesondere haben die Ausführungen zur Strafaussetzung auf die Strafzumessung keinen Einfluß gehabt.

III. Die Entscheidungen nach § 56 Abs. 1 StGB, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose zu stellen ist, und nach § 56 Abs. 3 StGB, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der erkannten Strafe gebietet, obliegen dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat sie im Zweifel "bis zur Grenze des Vertretbaren" zu respektieren (BGH NJW 1982, 40; NStZ 1983, 118; StV 1991, 360; Senat VRS 91, 355; Urteil vom 23. Februar.1999 - 5 Ss 405/98 - 109/98 I - ). Es kann sie deshalb nur auf Rechts- und Ermessensfehler nachprüfen (BGHSt 6, 392).

Solche Rechtsfehler liegen hier vor.

1. Nach § 56 Abs. 1 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird.

Die Strafkammer führt zwar aus, sie gehe von der Erwartung aus, daß der Angeklagte künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Jedoch setzt eine Strafaussetzung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB voraus, daß diese Erwartung durch Tatsachen begründet ist (BGH VRS 25, 426). Es bedarf zwar keiner Gewähr einer straffreien Führung des Angeklagten und auch keiner sicheren Erwartung, sondern sie läßt ein gewisses Risiko einer Fehlprognose zu. Der Richter muß jedoch von der durch Tatsachen begründeten Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit überzeugt sein (BGHSt 7, 6; BGH VRS 25, 426; BGH NStZ 1988, 452; BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 13; BGH StV 1991, 514). Dabei muß die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens größer sein als diejenige neuer Straftaten (BGHR StGB § 56 Abs. 10 Sozialprognose 30). Der Grundsatz in dubio pro reo gilt hierbei nicht (Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl., § 56 Rn 5 m.w.N.).

a ) Die Strafkammer begründet die Strafaussetzung zur Bewährung wie folgt:

"Wie schon das Amtsgericht geht auch die Kammer trotz des so sehr gegen ihn sprechenden Strafregisters und der Rückfallgeschwindigkeit von der Erwartung aus, daß der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 Satz 1 StGB). Er lebt nun schon zwei Jahre straffrei. Hierauf brauchte man eine günstige Sozialprognose nicht zu stützen, wenn nicht diese zwei Jahre einhergingen mit dem deutlichen Bemühen des Angeklagten, in ein ordentliches, straffreies Leben zu finden. Er hat die Möglichkeit zur Teilnahme an einer einjährigen ABM-Maßnahme zufriedenstellend genutzt. Er bemüht sich, wie die Aussage des Bewährungshelfers ergibt, durch Vorsprachen beim Arbeitsamt und Stellenbewerbungen immer wieder um neue Arbeit. Das alles hängt damit zusammen, daß er in der Sorge um seinen Sohn eine Lebensaufgabe sieht, der er sich stellt und die er ernst nimmt. Gewiß fiel auch die Straftat schon in die Zeit, in der ihm die Sorge für den Sohn anvertraut worden ist. Die Aufgabe als Vater und der Wunsch nach Konsum, der hinter der Tat steckt, widerstritten m...

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