Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG stellt kein treuhänderisches Rechtsgeschäft dar.

Eine Gläubigerbenachteiligung kann auch dann vorliegen, wenn die Befriedigung eines Gläubigers durch Lastschrift auf einem debitorisch geführten Konto des Schuldners erfolgt.

 

Normenkette

InsO §§ 129-131, 143-144; BetrAVG § 1; BGB § 242

 

Tatbestand

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin gegen die Beklagte, ein Lebensversicherungsunternehmen, Ansprüche auf Rückzahlung von Versicherungsprämien im Wege der Anfechtung (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO) geltend.

Die Schuldnerin hatte bei der Beklagten Direktversicherungen auf das Leben von bei ihr Beschäftigten abgeschlossen und den jeweiligen Arbeitnehmern von Beginn an ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt. Die Prämien wurden durch die Schuldnerin als Arbeitgeberin bezahlt; finanziert wurde die Prämienzahlung durch Gehaltsumwandlung.

Dem - debitorisch geführten - Geschäftskonto der Schuldnerin waren Versicherungsprämien belastet und der Beklagten - zunächst unter Vorbehalt - gutgeschrieben worden. Eine Genehmigung dieser Abbuchungen hat die Schuldnerin nicht erklärt. Der Kläger hat ihnen allerdings auch nicht widersprochen; ein Widerspruch hätte (nur) zu einer Verringerung des Debets geführt. Nach Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Quartalsabschlusses wurde die Genehmigung der Lastschriften nach Ziff. 7 Abs. 3 der AGB der Bank fingiert. Bei Eintritt der Fiktionswirkung hatte die Beklagte Kenntnis vom Antrag der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Das LG hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Nicht nur die Ansprüche aus den Lebensversicherungen, sondern auch die im Wege der Gehaltsumwandlung geleisteten Prämien gehörten nicht zur Insolvenzmasse. Die Abrede über die Gehaltsumwandlung stelle eine uneigennützige Treuhand des Arbeitgebers zugunsten der Arbeitnehmer dar. Diese hätten in der Insolvenz des Treugebers ein Aussonderungsrecht. Damit könne der Kläger die Prämien schon deshalb nicht fordern, weil er das dadurch Erlangte sogleich wieder den betroffenen Arbeitnehmern zur Begleichung der Lebensversicherungsprämien zur Verfügung stellen müsste (§ 242 BGB). Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch ist gem. §§ 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 InsO begründet. Nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem (potentiellen) Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, anfechtbar, wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit oder den Insolvenzantrag kannte.

1. Bei den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen handelt es sich um Direktversicherungen nach § 1b Abs. 2 BetrAVG, deren Prämien im Wege der Entgeltumwandlung bezahlt wurden (§§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 1b Abs. 5 BetrAVG). Versicherungsnehmer war die Schuldnerin als Arbeitgeber, unwiderruflich Bezugsberechtigte sind die Arbeitnehmer (vgl. § 1b Abs. 5 S. 2 BetrAVG); insoweit liegt ein echter Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) vor. Mit der Zahlung der Versicherungsprämien erfüllte die Schuldnerin eine eigene Verpflichtung aus dem Vertrag.

2. Hinsichtlich der Prämienforderung der Beklagten konnte Erfüllungswirkung ("Befriedigung" i.S.d. § 130 Abs. 1 InsO) frühestens mit der Genehmigungsfiktion eintreten. Solange der Schuldner eine auf seinem Konto erfolgende Lastschrift nicht genehmigt, tritt keine Erfüllung der Zahlungsforderung ein, auch wenn die Lastschrift aufgrund einer im Hinblick auf das Vertragsverhältnis erteilten Einzugsermächtigung des Schuldners erfolgt ist und zu einer Gutschrift beim Gläubiger geführt hat (BGH v. 4.11.2004 - IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49 ff. = MDR 2005, 354 = BGHReport 2005, 267 sub II. 3. b. aa); bis zur Genehmigung bleibt der schuldrechtliche Anspruch des Gläubigers (auf Erteilung der Genehmigung gerichtet) bestehen. Vorliegend gehen die Parteien von einer fingierten Genehmigung nach Ziff. 7 Abs. 3 der AGB-Banken (Anlage K 5) aus. Gegen die Wirksamkeit der Genehmigungsfiktion in Ziff. 7 Abs. 3 AGB-Banken bestehen keine Bedenken, weil die dort vorgesehene Frist angemessen ist und der Bankkunde durch den besonderen Hinweis der Bank auf diese Folge bei der Erteilung des Rechnungsabschlusses hinreichend geschützt wird (OLG München v. 26.10.2006 - 19 U 2327/06, ZIP 2006, 2122 ff. m.w.N.).

Zum Zeitpunkt der möglichen Genehmigungsfiktion (spätestens am 15.11.2005) hing die Wirksamkeit von Verfügungen des Schuldners allerdings von der Zustimmung des Klägers als vorläufigem Insolvenzverwalter ab (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, Alt. 2 InsO). Mit der Genehmigung einer Lastschrift wirkt der Schuldner unmittelbar auf das Schuldverhältnis zur Bank ein, indem ein Aufwe...

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