Verfahrensgang

LG Offenburg (Aktenzeichen 3 O 455/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.

4. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile

vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche hinsichtlich eines von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs im Zusammenhang mit dem sog. Dieselabgasskandal.

Die Klagepartei erwarb im April 2015 einen gebrauchten Pkw VW Tiguan, bei welchem ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut ist, und der eine Laufleistung von 5.860 Kilometern hatte, zum Kaufpreis von 34.649,00 Euro.

In den Fahrzeugen des streitigen Typs war - beginnend im Laufe des Jahres 2008 - eine Software zur Steuerung des Motors installiert, die erkennt, ob sich das Fahrzeug im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befindet. Während im Testlauf die Motorsteuerung dergestalt erfolgt, dass mittels einer Abgasrückführung die Abgase zusätzlich gereinigt werden und die Emissionsgrenzwerte entsprechend der genannten Verordnung eingehalten werden (Abgasrückführungsmodus 1), ist im Betriebsmodus des normalen Straßenverkehrs der Abgasrückführungsmodus 0 aktiv, in dem keine oder eine deutlich geringere Abgasrückführung stattfindet.

Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software ein. Unter dem 15. Oktober 2015 erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Die Beklagte hat den Haltern von betroffenen Fahrzeugen das Aufspielen eines Software-Updates angeboten, mit denen die Software entfernt werden sollte.

Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 04.12.2019, eingegangen beim Landgericht am gleichen Tag, erhoben und am 10.01.2020 der Beklagten zugestellt.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger hat vorgetragen, er habe sich am 14.09.2019 zum Klageregister der Musterfeststellungsklage angemeldet und am 27.09.2019 wieder abgemeldet. Die Beklagte ist der Auffassung, dass sich der Kläger nicht auf die Hemmung der Verjährung berufen könne, weil er sich erst im Jahr 2019, und somit bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem die behaupteten Ansprüche des Klägers verjährt seien, zum Klageregister der Musterfeststellungsklage angemeldet habe. Die Inanspruchnahme des Musterfeststellungsverfahrens sei zudem rechtsmissbräuchlich.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, der erstinstanzlichen Feststellungen sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Hiergegen richten sich die Berufungen der Parteien.

Die Beklagte beantragt,

Das am 27. April 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Offenburg, Az.: 3 O 455/19 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Berufung der Klagepartei zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 27.04.2020, 3 O 455/19 wird, soweit die Klage abgewiesen wurde, aufgehoben und wie folgt abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.419,08 freizustellen.

Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

II. A) Die statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet, da das Landgericht der Feststellungsklage zu Recht stattgegeben hat.

1. Die Feststellungsklage ist zulässig.

a) Der gestellte Feststellungsantrag genügt bei der gebotenen Auslegung den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. Senat, Urteil vom 06. November 2019 - 13 U 12/19, juris Rn. 16; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.07.2019 - 17 U 160/18, juris Rn. 65).

b) Das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist gegeben. Es ergibt sich aus dem berechtigten Interesse der Klagepartei, die Haftung der Beklagten, die ihre Einstandspflicht bestreitet, zum Zwecke der Verjährungshemmung wegen des gesamten Anspruchs feststellen zu lassen. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert nicht an der Subsidiarität der Feststellungsklage. Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (BGH, Urteil vom 19.04.2016 - VI ZR 506/14, juris Rn. 6). Die Klagepartei m...

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