Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anwalt, der bei Anhängigkeit eines Rechtsstreits mit der Gegenseite hinter dem Rücken ihres Anwalts über den Streitgegenstand verhandelt, handelt auch dann standeswidrig, wenn die Initiative hierzu von der Gegenseite ausging.

2. Ein durch standeswidriges Verhalten eines Beteiligten zustandegekommenes Rechtsgeschäft kann auch dann infolge Sittenwidrigkeit nichtig sein, wenn der standeswidrig Handelnde nicht selbst Vertragspartei, sondern Vermittler ist.

3. Ein durch den Anwalt einer Seite hinter dem Rücken des Anwalts der Gegenseite in standeswidriger Weise vermittelter Vergleich ist jedenfalls dann nichtig, wenn die Gegenseite aus einem fremden Rechts- und Kulturkreis stammt und der deutschen Sprache nur in beschränktem Maße mächtig ist, wenn ferner der Gegenanwalt vom vermittelnden Anwalt bewusst ausgeschaltet worden war und von den ohne sein Wissen geführten Verhandlungen sowie dem Vergleichsschluss nicht unverzüglich informiert wird und wenn der Vergleich nur mündlich geschlossen wurde, so dass bei einem Streit über den Vergleichsinhalt als Beweismittel allein der vermittelnde Anwalt zur Verfügung steht.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1; BRAO § 59b; BORA § 12

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Aktenzeichen 3 O 130/00)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Offenburg vom 7.3.2001 – 3 O 130/00 – dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

2. Die Kosten des Rechtsstreits – mit Ausnahme der Kosten des Berufungsverfahrens – tragen die Kläger. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit notariellem Vertrag vom 4.5.1998 (AH 1/17) haben die Beklagten den Klägern – alle Beteiligte sind Aussiedler aus den GUS-Staaten – das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück K. Weg 8 in W. verkauft. § 4 des Vertrags enthält einen Gewährleistungsausschluss der Verkäufer für Sachmängel, ferner die Versicherung der Verkäufer, dass ihnen keine versteckten wesentlichen Mängel bekannt seien.

In einem von den Klägern angestrengten selbstständigen Beweisverfahren (LG Offenburg 3 OH 8/99) hat der Sachverständige S. unter dem 10.2.2000 ein schriftliches Gutachten über von den Klägern behauptete Feuchtigkeitsschäden in der Kellerwohnung erstattet (dort AS. 279/293), das unter dem 6.2.2001 (dort AS. 345/351) und unter dem 16.5.2001 (dort AS. 385/389) schriftlich ergänzt wurde.

Mit Anwaltsschreiben vom 24.2.2000 (AH 51/53) haben die Kläger die Beklagten unter Bezugnahme auf das im selbstständigen Beweisverfahren erstattete Gutachten zur Zahlung von 33.515,33 DM bis zum 6.3.2000 aufgefordert. Nach Fristablauf haben sie erstinstanzlich die vom Sachverständigen geschätzten Sanierungskosten, Mietausfall bis einschließlich März 2000 und die im Beweisverfahren entstandenen Aufwendungen mit insgesamt 37.201,92 DM nebst Zinsen eingeklagt. Nach Klageerhebung haben die Parteien ohne Wissen des Beklagtenvertreters außergerichtliche Vergleichsverhandlungen geführt. Diese führten zu einer am 17.4.2000 in den Kanzleiräumen der Klägervertreter – wiederum ohne Wissen des Beklagtenvertreters – geschlossenen und nicht schriftlich fixierten Vereinbarung, in der sich die Beklagten verpflichteten, an die Kläger am 15.5., 1.6. und 1.7.2000 jeweils 16.000 DM zu bezahlen; der weitere Inhalt der Vereinbarung, von der der Beklagtenvertreter zunächst nicht informiert wurde, ist streitig. Bezahlt wurde lediglich die erste Rate, insoweit haben die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Kläger haben vorgetragen, schon kurze Zeit nach ihrem am 1.8.1998 erfolgten Einzug in das Haus seien sie von der Mieterin der Kellerwohnung darauf hingewiesen worden, dass im Kellergeschoss Schimmelspuren vorhanden seien. Die Schimmelbildung sei darauf zurückzuführen, dass bei der Isolierung der Außenwände die die Abdichtung von Bauwerken gegen nicht drückendes Wasser betreffende DIN 18.195 nicht beachtet worden sei. Der Schimmelbefall sei bereits bei Abschluss des Kaufvertrags vorhanden und den Beklagten bekannt gewesen. Wegen der Mängel habe die Mieterin der Kellerwohnung den Mietvertrag zum 31.12.1998 gekündigt. Da die Wohnung seitdem nicht wieder habe vermietet werden können, sei bis einschließlich November 2000 ein Mietausfall i.H.v. 13.800 DM (23 Monatsmieten zu je 600 DM) entstanden. Für die nachträgliche Isolierung der Kelleraußenwände und zur Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden seien 52.050,65 DM aufzuwenden gewesen. Durch die Inanspruchnahme von Krediten sei ein Zinsschaden von 5,95 % entstanden. – Die Kläger haben weiter vorgetragen, in der nach Klageerhebung getroffenen Vereinbarung vom 17.4.2000 – zu der es aufgrund des an den Klägervertreter geri...

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