Leitsatz (amtlich)

Auf das sog. Top-Rope-Klettern in der Halle sind die Grundsätze über die Haftungsbegrenzung bei Kampfspielen oder Wettkampfsportarten nicht anwendbar, da nach der strikten Aufgabenteilung zwischen den Sportlern derjenige, der nicht klettert, ausschließlich für die Sicherung des anderen im Falle eines Sturzes zuständig ist.

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Urteil vom 29.10.2002; Aktenzeichen 7 O 270/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Heidelberg vom 29.10.2002 - 7 O 270/01 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 67.420,36 Euro zzgl. 4 % Zinsen aus 63.087,84 Euro seit 18.9.2001, aus 4.134,02 Euro seit 18.6.2002 und aus 198,50 Euro seit 4.9.2002 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen weiteren materiellen Schaden aus dem Unfall des R., ..., am 9.11.1999 in der Kletterhalle ... zu ersetzen, soweit dessen Ansprüche auf die Klägerin übergegangen sind.

II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagende Kirche begehrt von der Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz, weil sie ihrem beamteten Pfarrer, dem Zeugen R., nach einem von der Klägerin angeblich verschuldeten Unfall während dessen Arbeitsunfähigkeit weiterhin Gehalt gezahlt und im Rahmen der Beihilfe für Heilbehandlungen Aufwendungen gehabt hat. Darüber hinaus begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte auch für weitere materielle Schäden einzustehen hat.

Der Zeuge R. stürzte am 9.11.1999 beim Top-Rope-Klettern in der Kletterhalle in L. aus einer Höhe von ca. 4-5 m ab. Die Beklagte, die die Sicherung mittels einer sog. Halbmastsicherung vornehmen sollte, konnte den Sturz nicht verhindern. Das LG, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellung Bezug genommen wird, hat der Klägerin 2/3 des entstandenen Schadens zugesprochen und die Feststellung ausgesprochen, dass die Beklagte auch für 2/3 des zukünftigen Schadens einzustehen hat, soweit Ansprüche auf die Klägerin übergegangen sind. In Höhe von 1/3 hat es ein Mitverschulden angenommen, weil der Zeuge R. sich, ohne zuvor mit der Klägerin Kontakt aufzunehmen, von der Kletterwand hat fallen lassen, als er oben angekommen war, damit die Beklagte ihn mit dem Sicherungsseil ablasse. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Annahme eines Mitverschuldens und verfolgt ihr ursprüngliches Klageziel unter Wiederholung ihres Vortrags in vollem Umfang weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Berufung weiterhin die Klagabweisung, weil eine Haftung der Kletterpartner bei der sportlichen Tätigkeit selbst bei einer Sorgfaltspflichtverletzung ihrerseits ausscheide, darüber hinaus eine solche Sorgfaltspflichtverletzung aber auch nicht nachgewiesen sei. Wegen des Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat über den Unfallhergang Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen R., die Augenscheinseinnahme der Unfallstelle und die Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens vor Ort mit einer Demonstration des Kletter- und Sicherungsvorgangs. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.7.2004 (II 249 ff.) verwiesen.

II. Die Berufungen sind zulässig, begründet ist lediglich diejenige der Klägerin.

1. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 103 Hessisches Beamtengesetz (HBG) i.H.v. 67.420,36 Euro nebst Zinsen. Die Beklagte haftet der Klägerin auch für den weiteren materiellen Schaden, soweit Ansprüche des Zeugen R. auf diese übergegangen sind.

a) Die Beklagte hat rechtswidrig und schuldhaft den Sturz des Zeugen R. und dessen Verletzung verursacht.

aa) Der Senat hat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzende Feststellungen zum Unfallhergang getroffen, weil die tatsächlichen Feststellungen des LG zum Kletter- und Sicherungsvorgang teilweise nicht vollständig und teilweise widersprüchlich waren. Aufgrund dieser Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass die Beklagte rechtswidrig und schuldhaft die Körperverletzung des Zeugen R. verursacht hat.

bb) Unstreitig hat sich der Zeuge R., als er das obere Ende der Kletterwand erreicht hatte, von der Wand fallen lassen, damit die Beklagte ihn mit dem Sicherungsseil ablässt, wie dies in dem kurz vorher stattgefundenen Klettervorgang bereits erfolgt war. Ebenfalls unstreitig ist der Zeuge aus einer Höhe von ca. 4-5m abgestürzt und hat sich beim Aufprall auf den Boden mehrfache Frakturen der Sprunggel...

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