Leitsatz (amtlich)

Wird in einer Gerichtsstandsklausel dem Verwender die Wahl zwischen mehreren Gerichtsorten eingeräumt, so liegen trennbare Regelungen über das örtlich zuständige Gericht vor, die einer eigenständigen Inhaltskontrolle unterzogen werden können.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1; ZPO § 38

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 22.11.2013; Aktenzeichen 6 O 124/13)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Mannheim vom 22.11.2013 (6 O 124/13) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG Mannheim zurückverwiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte restliche Zahlungsansprüche aus einem (jeweils) vorzeitig beendeten Mietkauf- und einem Leasingvertrag geltend.

Beiden Vertragswerken liegt unter Nr. 14 Abs. 6 folgende von der Klägerin gestellte Klausel zugrunde:

"Gerichtsstand für Kaufleute ist nach Wahl der S Stuttgart, Mannheim, Berlin oder Sitz oder Wohnsitz des Kunden."

Das LG hat die auf Zahlung von 98.787,54 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen, weil es örtlich nicht zuständig sei. Die oben genannte Gerichtsstandklausel sei unwirksam. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und des Parteivorbringens im Einzelnen, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das von der Klägerin mit der Berufung angefochtene Urteil des LG Bezug genommen.

Die Klägerin bringt zur Begründung ihrer Berufung vor, die den Verträgen zugrunde liegende Gerichtsstandsvereinbarung sei entgegen der Auffassung des LG wirksam. Weder handele es sich um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB, noch benachteilige diese Bestimmung die Beklagte unangemessen im Sinne von § 307 BGB. Selbst wenn die Wahloption des Gerichtsstandes in Berlin unzulässig wäre, würde sich hieraus nicht die Unwirksamkeit der gesamten Gerichtsstandsklausel ergeben. Denn die Klausel sei insoweit teilbar. Wenn man eine Streichung der unzulässigen Gerichtsstandorte vornehmen würde, verbliebe immer noch eine aus sich heraus verständliche Klausel. Entgegen der Auffassung des LG liege darin auch kein Verstoß gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.

Die Klägerin beantragt:

Das erstinstanzliche Urteil wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 98.787,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 98.721,21 EUR seit dem 24.08.2012 zu bezahlen.

Hilfsweise:

Unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils wird der Rechtsstreit an das LG zurückverwiesen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Hilfsweise:

Der Rechtsstreit wird an das LG zurückverwiesen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Im Einverständnis beider Parteien hat der Senat mit Beschluss vom 30.01.2015, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (II 66), das schriftliche Verfahren angeordnet (§ 128 Abs. 2 ZPO).

II. Die zulässige Berufung hat vorläufig Erfolg; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Entgegen der Auffassung des LG ist dessen örtliche Zuständigkeit gem. § 38 Abs. 1 ZPO gegeben. Die Parteien haben wirksam Mannheim als Wahlgerichtsstand (§ 35 ZPO) zugunsten der Klägerin vereinbart.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die oben genannte Gerichtsstandsklausel (jeweils Nr. 14 Abs. 6 der Verträge) überraschend im Sinne von § 305c BGB ist und/oder die Beklagte gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB unangemessen benachteiligt, soweit darin geregelt ist, dass die Klägerin auch Berlin als Gerichtsstand wählen kann.

2. Soweit die oben genannte Gerichtsstandsklausel auch Mannheim als Wahlgerichtsstand vorsieht, ist sie inhaltlich nicht zu beanstanden.

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des Sitzes des Verwenders benachteiligt den kaufmännischen Vertragspartner regelmäßig nicht unangemessen (herrschende Meinung, vgl. etwa OLG Karlsruhe NJW 1996, 2041). Unstreitig hatte die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Sitz in Mannheim.

3. Selbst wenn die vereinbarte Wahl des Gerichtsstands "Berlin" unwirksam wäre, würde dies entgegen der Auffassung des LG nicht zu Unwirksamkeit der gesamten Klausel, sondern nur zu Unwirksamkeit dieses Regelungsteils führen.

Zwar darf eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die gegen § 307 BGB verstößt, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht im Wege der so genannten geltungserhaltenden Reduktion auf den gerade noch zulässigen Inhalt zurückgeführt und damit aufrecht erhalten werden. Lässt sich eine Formularklausel jedoch nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil trennen, so ist die Aufrechterhaltung des zulässigen Teils nach der gleichfalls ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtlich unbedenklich (vgl. etwa BGH NJW 1998, 2284, 22...

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