Leitsatz (amtlich)
1. Die Vereinbarung eines Gerichtsstandes "für sämtliche Streitigkeiten" umfasst im Zweifel auch die Geltendmachung konkurrierender deliktischer Schadensersatzansprüche. Dies gilt auch bei einer Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
2. Die mit der Klage geltend gemachte Anfechtung des Vertrages lässt die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung unberührt.
Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 03.05.2007; Aktenzeichen 3 O 178/06) |
Tenor
I. Das Urteil des LG Tübingen vom 3.5.2007 (3 O 178/06) wird auf den Hilfsantrag der Klägerin aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird an das örtlich zuständige LG Bielefeld verwiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: bis 65.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung eines geleisteten Kaufpreises i.H.v. 44.108 EUR für Computersoftware und Schadensersatz wegen entstandener Aufwendungen i.H.v. 5.779,90 EUR und weiteren 9.325,98 EUR.
Die Parteien schlossen im November 2004 einen Kaufvertrag nebst Wartungsvertrag über Software, die von der Klägerin im Betrieb ihres Autohauses eingesetzt werden sollte. Zu dem Paket gehörte u.a. eine Schnittstelle (LASER-Schnittstelle), die ein zu lieferndes Programm (W.) mit dem von dem Fahrzeughersteller P. vorgegebenen Anwendungsprogramm (LASER) verbinden sollte, insbesondere um Ersatzteilrecherchen durchzuführen. Mit dem genannten Programm sollten außerdem die Arbeitszeiten der Mitarbeiter festgelegt und eine Zeitberechnung ermöglicht werden. Vertragsgegenstand war ferner ein Werkstattplanungsprogramm (W. Plan), mit dem die Zuteilung der Arbeiten und Aufträge an die Mitarbeiter gesteuert werden kann, sowie die Konvertierung verschiedener vorhandener Daten in das neue System.
Der vorformulierte Kaufvertrag enthält die Regelung: "Gerichtsstand ist der Ort des Verkäufers". Außerdem wird in dem Kaufvertrag auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten Bezug genommen, die folgende Klausel enthalten: "Für sämtliche Streitigkeiten wird M. als Gerichtsstand vereinbart, sofern der Kunde Kaufmann ist".
Ein Großteil der Programme wurden im Januar 2005 geliefert. In der Folgezeit monierte die Klägerin diverse Mängel, insbesondere hinsichtlich der Funktion der genannten Schnittstelle und der Programme. Am 10.3.2005 übersandte die Klägerin eine Mängelliste zur Erledigung bis 22.3.2005, hinsichtlich der LASER-Schnittstelle bis 30.4.2005. Mit Anwaltsschreiben vom 15.4.2005 wurde für die Fehlerbeseitigung erneut eine Frist bis 30.4.2005 gesetzt. Mit Schreiben vom 22.7.2005 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Beklagte stellte die Funktionsfähigkeit der LASER-Schnittstelle durch ein Update her, aber nicht bis zum 30.4.2005. In dem durchgeführten selbständigen Beweisverfahren (3 H 10/05) sah der Sachverständige Dipl.-Ing. W. ursprüngliche Mängel, insbesondere hinsichtlich der Schnittstelle und verschiedener Anwendungen, als gegeben an. Mit Anwaltsschreiben vom 16.6.2006 erklärte die Klägerin die Anfechtung des Kaufvertrages, hilfsweise wurde erneut Rücktritt erklärt. Die Klageschrift ging am 7.7.2006 beim LG Tübingen ein.
Das LG Tübingen hat die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Zwischen den Parteien sei die ausschließliche Zuständigkeit des für den Ort M. zuständigen Gerichts vereinbart. Dort ist der Sitz der Beklagten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil vom 3.5.2007 und den Berichtigungsbeschluss vom 6.6.2007 Bezug genommen.
Die Klägerin macht geltend, aufgrund der Anfechtung des Vertrages sei die Gerichtsstandsklausel unwirksam. Die Anfechtung könne nicht vertraglich ausgeschlossen werden. Eine Gerichtsstandsklausel, die auch vorsätzliche Vertragsverletzungen erfasse, verstoße außerdem gegen AGB-Recht, den ordre public und den Grundsatz von Treu und Glauben.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 44.108 nebst Zinsen i.H.v. 8 % über dem Basiszinssatz des BGB seit dem 9.8.2005 sowie weitere EUR 5.779,90 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz des BGB seit Rechtshängigkeit sowie weitere EUR 9.325,98 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz des BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte an die Klägerin Ersatz zu leisten hat für den Schaden, der der Klägerin aufgrund der arglistigen Täuschung seitens der Beklagten vor Vertragsschluss, hilfsweise aufgrund unter Lieferung mangelhafter Software seitens der Beklagten, entstanden ist.
3. Hilfsweise: Das Verfahren wird an das LG Bielefeld, Niederwall 71, 33602 Bielefeld verwiesen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Rechtsauffassung der Klägerin, die dazu führe, dass jede Gerichtsstandsklausel durch die unrichtige Behauptung einer arglistigen Täuschung ausgehebelt werden könne, sei n...