Leitsatz (amtlich)

Inkonnexe Forderungen sind auch dann unbestritten i.S.v. §§ 441, 464 HGB, wenn der Schuldner sie nur pauschal bestreitet.

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 06.05.2004; Aktenzeichen 12 O 17/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Freiburg vom 5.4.2004 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, eine Textilhandelsgesellschaft, hat gegen das beklagte Fracht- und Speditionsunternehmen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Herausgabeanordnung gestellt, weil die Beklagte wegen inkonnexer Forderungen ein ihr tatsächlich nicht zustehendes Pfandrecht ausgeübt und die ihr gehörigen Waren rechtswidrig zurückbehalten habe. Nach Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung und Herausgabe der Gegenstände an die Klägerin hat diese den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das LG hat den Antrag auf Feststellung, dass sich das einstweilige Verfügungsverfahren erledigt habe, zurückgewiesen, weil die Klägerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass ihr ein Herausgabeanspruch zustehe. Die Klägerin habe keine substantiierten Einwendungen gegen die von der Beklagten geltend gemachten Forderungen erhoben. Ein pauschales Bestreiten der Forderungen sei nicht ausreichend. Der Herausgabeanspruch ergebe sich auch nicht aus § 1218 Abs. 1 BGB. Die Klägerin habe zwar beim AG Oberhausen 35.722,20 Euro hinterlegt. Hierbei handele es sich jedoch lediglich um den Einkaufswert der zurückbehaltenen Waren. Dieser sei jedoch keine geeignete Grundlage für die Bestimmung der Höhe einer zu leistenden anderweitigen Sicherheit im Sinne der genannten Vorschrift. Vielmehr sei auf den objektiv zu erzielenden Wert (Verkehrswert) bei einem freihändigen Verkauf abzustellen, der vorliegend den Einkaufswert bei weitem übersteige.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Berufung der Klägerin. Diese vertritt die Auffassung, sie habe die angeblichen Forderungen der Beklagten hinreichend bestritten. Ein pauschales Bestreiten reiche nämlich aus. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte der heute geltenden Fassung des § 441 HGB. Außerdem sei die hinterlegte Sicherheit i.H.v. 35.722,20 Euro ausreichend. Die Beklagte sei ein Speditionsunternehmen, das keine Erfahrung mit dem Verkauf von Modeartikeln habe. Sie hätte deshalb im Wege des freihändigen Verkaufs nicht einmal den Einkaufspreis erzielen können.

Die Klägerin stellt den Antrag:

Das am 5.4.2004 verkündete Urteil des LG Freiburg, 12 O 17/04, abzuändern und festzustellen, dass sich das einstweilige Verfügungsverfahren erledigt hat.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, ein pauschales Bestreiten reiche nicht aus. Außerdem habe die Klägerin gegen die Forderungen, auf welche das Pfandrecht gestützt sei, nur zu einem Teil die Aufrechnung erklärt, im Übrigen seien die klägerischen Forderungen unbestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet, weil die Beklagte dem Herausgabeverlangen der Klägerin ein nach den §§ 441, 464 HGB begründetes Pfandrecht entgegensetzen konnte und die Klägerin keine ausreichende Sicherheit i.S.v. § 1218 Abs. 1 BGB hinterlegt hat.

1. Gemäß § 441 Abs. 1 HGB hat der Frachtführer wegen unbestrittener Forderungen aus anderen mit dem Absender abgeschlossenen Fracht-, Speditions- oder Lagerverträgen (sog. "inkonnexen Forderungen") ein Pfandrecht an dem Gut. Nach herrschender Auffassung, der der Senat folgt, sind Forderungen auch dann unbestritten, wenn der Schuldner sie nur pauschal in Abrede stellt (vgl. Koller, TransportR, 5. Aufl.,. § 441 Rz. 11; Andresen, TranspR 2004, Sonderbeilage zu Heft 3 S. 5, m.w.N.).

Ursprünglich hatte der Entwurf der Bundesregierung des Gesetzes zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (Transportrechtsreformgesetz - TRG) lediglich vorgesehen, dass dem Frachtführer wegen Forderungen aus anderen mit dem Absender abgeschlossenen Frachtverträgen ein Pfandrecht dann zustehen sollte, wenn diese entweder anerkannt oder rechtskräftig festgestellt waren (§ 440 Abs. 1 des Entwurfs, BT-Drucks. 13/8445). Zur Begründung wurde ausgeführt (BT-Drucks. 13/8445, 80), dass der Referentenentwurf noch - im Anschluss an eine vergleichbare Regelung in § 22 Abs. 1 S. 2 Anlage GüKUMB - alle unstreitigen Forderungen habe einbeziehen wollen. Die Beschränkung auf anerkannte oder rechtskräftig festgestellte Forderungen erfolge aus Gründen der Rechtssicherheit. Damit würden im Rahmen der Geltendmachung des Pfandrechts Streitigkeiten darüber vermieden, ob im konkreten Fall die zu sichernde Forderung bereits unstreitig gestellt sei oder nicht. Die jetzige Fassung wurde auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages beschlossen. Zur Begründung hatte der Ausschuss dargelegt, da...

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