Leitsatz (amtlich)

Die Widerrufsfrist bei Haustürgeschäften nach §§ 312, 355 BGB beginnt nicht vor dem Zustandekommen des (schwebend wirksamen) Vertrags.

 

Normenkette

BGB §§ 312, 355

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 30.12.2005; Aktenzeichen 5 O 209/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.04.2007; Aktenzeichen VII ZR 122/06)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Mannheim vom 30.12.2005 (5 O 209/05) wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung durch Bürgschaft i.S.d. § 108 ZPO i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Art Sicherheit i.H.v. 120 % des von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

V. Berufungsstreitwert: 6.362,07 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin befasst sich mit der Durchführung von Dach- und Fassadenarbeiten. Am 29.3.2005 suchte ein Handelsvertreter der Klägerin die Beklagte in deren Wohnung auf und bot ihr Fassadenanstrich- und Fassadenputzarbeiten zu einem Festpreis an. Die Beklagte unterzeichnete am selben Tag ein vom Handelsvertreter ausgefülltes Bestellformular der Klägerin (Anlage B 2). Darin heißt es u.a.: "Der Vertrag kommt zustande, sobald die DHC (gemeint ist die Klägerin) das Angebot schriftlich angenommen hat". Auf der Rückseite des der Beklagten sogleich nach Unterschrift ausgehändigten Exemplars des Bestellformulars befindet sich unten eine schwarz umrahmte Widerrufsbelehrung dahin, dass die Beklagte ihre Bestellung innerhalb von zwei Wochen ab Aushändigung dieser Belehrung ohne Begründung in Textform widerrufen könne. Mit Schreiben vom 8.4.2005 (AS I 15), das der Beklagten am 9.4.2005 zugegangen ist, "bestätigte" die Klägerin die vorgenannte Bestellung der Beklagten vom 29.3.2005. Mit Schreiben vom 13.4.2005, das der Klägerin am 14.4.2005 zugegangen ist, widerrief die Beklagte ihre Bestellung.

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf pauschalierte Vergütung nach Kündigung des Vertrages gem. Nr. 9 der Vertragsbedingungen i.H.v. 6.362,07 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Das LG hat die Klage abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und des streitigen Parteivorbringens im Einzelnen, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das von der Klägerin mit der Berufung angefochtene Urteil Bezug genommen.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Klägerin aus, entgegen der vom LG vertretenen Auffassung beginne der Lauf der zweiwöchigen Widerrufsfrist, wenn, wie hier, bei einem Haustürgeschäft ein Verbraucher ein Angebot abgegeben habe, nicht erst mit der Annahme des Angebotes durch den Gewerbetreibenden, sondern bereits mit der Aushändigung der Widerrufsbelehrung an den Verbraucher. Die Widerrufsbelehrung könne zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe durch den Verbraucher wirksam erteilt werden (BGH v. 4.7.2002 - I ZR 55/00, MDR 2003, 40 = BGHReport 2002, 1014 = NJW 2002, 3396). Gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB laufe die Widerrufsfrist ab Aushändigung einer den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Widerrufsbelehrung. Die Widerrufsfrist habe daher am 29.3.2005 zu laufen begonnen. Der Widerruf mit Schreiben vom 13.4.2005 sei daher verspätet und als Kündigung des Werkvertrages zu werten.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Mannheim vom 30.12.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.362,07 EUR nebst 5 % Zinsen über Basiszinssatz seit dem 14.5.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen.

1. Das LG ist der Auffassung, der Klägerin stehe gegen die Beklagte aus dem Vertrag vom 29.3./9.4.2005 kein Zahlungsanspruch zu, weil die Beklagte durch das am 14.4.2004 der Klägerin zugegangene Schreiben vom 13.4.2004 rechtzeitig von ihrem Widerrufsrecht nach §§ 312, 355 BGB Gebrauch gemacht habe. Zwar beginne die Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 BGB regelmäßig ab Vornahme der Belehrung. Dies gelte aber nicht, wenn der Vertrag erst später zustande komme.

2. Der Senat teilt diese Rechtsansicht.

Das dem Verbraucher bei Haustürgeschäften zustehende Widerrufsrecht (§§ 312, 355 BGB) knüpft an einen bereits stattgefundenen Vertragsabschluss an. Die gesetzliche Widerrufsfrist von zwei Wochen (§ 355 Abs. 1 BGB) kann daher nicht vor Vertragsabschluss beginnen.

a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte zum Abschluss des Vertrages vom 29.3./9.4.2005 über die Erbringung von Fassadenanstrich- und Fassadenputzarbeiten im Bereich einer Privatwohnung bestimmt worden ist, so dass der Beklagten gem. §§ 312, 355 BGB ein Widerrufsrecht zusteht.

b) § 355 B...

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