Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusatzversorgung öffentlicher Dienst. Bestimmung der für die Berechnung der Zusatzrente rentennaher Versicherter maßgeblichen Startgutschrift nach der Satzung der VBL

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ziel des § 43 VBLS in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (VBLS a.F.) ist es, die Höhe des für die Gesamtversorgung maßgeblichen gesamtversorgungsfähigen Entgelts möglichst repräsentativ nach dem Gehaltsniveau zu ermitteln, das ein Versicherter vor Eintritt des Versicherungsfalles zuletzt erreicht bzw. innehatte.

2. Zur einschränkenden und ergänzenden Auslegung des § 43 VBLS a.F. in einem Sonderfall.

3. Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) kann nach Treu und Glauben wegen besonderer Härte im Einzelfall gehalten sein, sich auf eine Satzungsbestimmung nicht zu berufen, die sich grundsätzlich noch im Rahmen einer zulässigen, auch mit dem Gleichheitssatz vereinbaren Generalisierung und Typisierung hält (hier: § 43 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1a VBLS a. F).

 

Normenkette

VBLS a.F. § 43; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 05.11.2004; Aktenzeichen 6 O 855/03)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 5.11.2004 - 6 O 855/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin wendet sich gegen die Berechnung der Betriebsrente, die sie von der beklagten Zusatzversorgungsanstalt gem. Mitteilung vom 23.12.2002 seit 1.11.2002 bezieht. Sie begehrt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, der Startgutschrift ein gesamtversorgungsfähiges Entgelt in entsprechender Anwendung von § 43 Abs. 2 VBLS der alten Fassung (VBLS) statt der im Januar und Februar 1999 bezogenen Entgelte zugrunde zu legen. Die Startgutschrift gibt den Wert der Rentenanwartschaft wieder, die die Klägerin bei Umstellung des Versorgungssystems mit Wirkung zum 1.1.2002 von einer Gesamtversorgung auf ein auf die Verzinsung von Beiträgen ausgerichtetes Punktemodell erlangt hatte.

Das LG, auf dessen Urteil wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen verwiesen wird, hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hält die Anwendung von § 43 Abs. 1 S. 3 VBLS, wonach die Summe der Entgelte der letzten drei Kalenderjahre vor dem Jahr des Eintritts des Versicherungsfalles durch die Zahl der Umlagemonate in diesem Zeitraum zu teilen ist, im Falle der Klägerin für treuwidrig (§ 242 BGB) und eine entsprechende Anwendung des § 43 Abs. 2 VBLS für geboten. Nach § 43 Abs. 2 VBLS ist, wenn in dem genannten Berechnungszeitraum Umlagen nicht zu entrichten waren, gesamtversorgungsfähiges Entgelt das zusatzversorgungspflichtige Entgelt, das der Versorgungsrentenberechtigte in dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, bezogen hätte, wenn er während des ganzen Monats beschäftigt gewesen wäre.

Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Satzungsregelung sei wegen der Übereinstimmung mit Tarifrecht einer Prüfungsbefugnis durch die Gerichte entzogen. Für eine ergänzende Auslegung sei kein Raum. Es fehle schon an einer Regelungslücke, da der Wortlaut des § 43 Abs. 1 VBLS einschlägig sei.

Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils, die Berufung zurückzuweisen. Die Satzungsregelung unterliege sehr wohl der gerichtlichen Überprüfung und verstoße gegen § 242 BGB.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die Berufung ist unbegründet. Die Entscheidung des LG ist i.E. nicht zu beanstanden.

1. Der geltend gemachte Klaganspruch ist in zulässiger Weise (OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.9.2005 - 12 U 99/04, unter B II 3, m.w.N.) lediglich auf die Klärung eines Berechnungsfaktors der für die Berechnung der Zusatzrente der Klägerin als sog. rentennaher Versicherter maßgeblichen Startgutschrift gerichtet (§ 79 Abs. 2-7 VBLS n.F.). Die Rechtmäßigkeit der Anwendung weiterer Berechnungselemente sowie der Systemumstellung überhaupt ist nicht Streitgegenstand.

2. Die Satzung der Beklagten enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen, die als Allgemeine Versicherungsbedingungen anzusehen sind, weil sie privatrechtliche Versicherungen regeln. Sie finden Anwendung auf die Gruppenversicherungsverträge, die die Beklagte als Versicherer mit den beteiligten Arbeitgebern als Versicherungsnehmern zugunsten der bezugsberechtigten Versicherten, der Arbeitnehmer, abschließt (BGH v. 10.12.2003 - IV ZR 217/02, MDR 2004, 630 = BGHReport 2004, 511 = VersR 2004, 319, II 2a; BVerfG v. 22.3.2000 - 1 BvR 1136/96, VersR 2000, 835, unter II 2a und c). Als Allgemeine Versicherungsbedingungen unterliegen die Satzungsbestimmungen grundsätzlich einer Inhaltskontrolle nach den Vorschriften des AGB-Rechts (nach bisherigem Recht gem. dem AGB-Gesetz, nach neuem Recht gem. §§ 305 ff. BGB). Auf den Schutz dieser Vorsch...

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