Leitsatz (amtlich)

Zur Vollstreckbarkeitserklärung eines Schweizer Urteils, das Unterhalt bei „ ernsthaftem zielstrebigem Studium” (études sérieuses et suivies) zuspricht.

 

Normenkette

AVG § 7

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Aktenzeichen 11 O 54/99)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Schuldnerin wird der klauselerteilende Beschluss des Vorsitzenden Richters der 11. Zivilkammer des LG Karlsruhe vom 15.3.2001 – 11 O 54/99 – abgeändert.

2. Der Antrag auf Erteilung einer deutschen Vollstreckungsklausel an das Urteil des Gerichts erster Instanz des Kantons Genf vom 23.6.1983 – Rechtssache Nr. 179 A 878 und Urteil Nr. 5525 – wird zurückgewiesen.

3. Der Gläubiger hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

4. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.

5. Der Gebührenstreitwert beider Instanzen wird auf 40.645,53 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Gläubiger erstrebt die Anordnung, an das Urteil des Tribunal de Première Instance des Kantons Genf vom 23.6.1983 – Verfahrensnr. Urteilsnr …. – die deutsche Vollstreckungsklausel anzubringen. Das Urteil verurteilt den Vater des Gläubigers im Rahmen eines Scheidungsverfahrens, an die Mutter des Gläubigers und frühere Ehefrau des Vaters Unterhalt für den Gläubiger zu bezahlen. Der streiterhebliche Teil des Tenors lautet: „Condamne le défendeur à payer à la demanderesse … à titre de contribution à l'entretien de l'enfant… SFr. 850,- de 15 ans à la majorité et jusqu'à 25 ans si l'enfant poursuit des études sérieuses et suivies, pensions indixées à l'indice genevois du coût des prix à la consommation…” Die Schuldnerin ist Erbin des verstorbenen Vaters des Gläubigers.

Der Vorsitzende Richter der 11. Zivilkammer des LG Karlsruhe hat ein Gutachten darüber eingeholt, ob der Gläubiger nach Schweizer Recht die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin betreiben könne. Er hat zudem anhand von Urkunden Beweis darüber erhoben, ob der Gläubiger fortgesetzt einer geregelten Ausbildung nachgegangen ist und nachgeht. Hierauf hat er im Beschluss vom 15.3.2001 die Erteilung der Vollstreckungsklausel angeordnet und dabei den Titel in der Weise implementiert, dass er die indexierten Unterhaltsbeiträge errechnet und zu einer festen Summe, nämlich insgesamt 79.495,75 DM, verurteilt hat. Gegen diesen Beschluss, welcher der Schuldnerin am 1.6.2001 zugestellt worden ist, hat die Schuldnerin am 2.7.2001 (Montag) Beschwerde eingelegt.

Die Schuldnerin trägt unter anderem vor (S. 355 ff. d.A.),

bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Gläubigers am 12.5.1992 habe der Vater des Gläubigers Unterhalt bezahlt, nämlich bis Juni 1992. Hilfsweise rechnet die Schuldnerin mit Kostenerstattungsforderungen aus einem Urteil des Tribunal de Grande Instance Bourg en Bresse vom 24.9.1998 auf. Nach der Volljährigkeit bestehe kein Unterhaltsanspruch, weil der Gläubiger keiner geregelten Ausbildung fortgesetzt nachgegangen sei, vor allem seien hierfür Nachweise nicht erbracht.

Die Schuldnerin beantragt, die Entscheidung des LG Karlsruhe abzuändern und den Antrag auf Klauselerteilung zurückzuweisen.

Der Gläubiger beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Gläubiger trägt vor, der Vater des Gläubigers habe seine Unterhaltsforderungen nicht wie geschuldet erfüllt; die zur Aufrechnung gestellte Forderung werde bestritten. Im Übrigen habe der Gläubiger durch Vorlage von Bestätigungen und Zeugnissen ausbildender Institutionen bewiesen, dass er einer geordneten Ausbildung ununterbrochen nachgegangen sei.

II. Die zulässige Beschwerde (§ 11 AVAG 2001) ist begründet. Denn das LG hat die Erteilung der deutschen Vollstreckungsklausel nach Auffassung des Senats im Ergebnis zu Unrecht angeordnet. Der Gläubiger kann aus dem Schweizer Titel in Deutschland keine Unterhaltszahlungen mehr vollstrecken, die bis zu seiner Volljährigkeit geschuldet waren; denn diese Unterhaltsschulden sind entweder einverständlich erledigt oder erfüllt. Soweit der Schweizer Unterhaltstitel nach der Volljährigkeit des Schuldners von der Wahrnehmung geordneter Ausbildung abhängt, kann er ohne weiteres Erkenntnisverfahren nicht Grundlage eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens sein.

1. Die Unterhaltsansprüche des Gläubigers bis zum Zeitpunkt seiner Volljährigkeit, die unstreitig am 12.5.1992 eingetreten ist (S. 251, 137, 359d. A.), sind nach Titelerlass entweder einverständlich erledigt oder erfüllt (§§ 12 Abs. 1 AVAG 2001, 767 Abs. 2 ZPO). Nach dem richterlichen Protokoll des Unterhaltsverfahrens der Mutter des Gläubigers gegen seinen Vater vor dem Bezirksgericht in Genf vom 16.12.1991 haben sich dort die Parteien auf die Zahlung rückständiger Unterhaltsforderungen i.H.v. SFr. 15.520 geeinigt, die dann auch im Folgenden beglichen worden sind (Anlagenheft S. 51 ff., 65). Die monatlichen Unterhaltsforderungen für die Zukunft und damit die Monate Januar bis Mai 1992 betrugen nach dem Vortrag des Gläubigers jeweils SFr. 1.140,60, also insgesamt SFr. 5.703. Der Vater des Gläubigers hat nach vorgelegten Belegen ab 20.12.1991 für Januar bis Juni weitere Bei...

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