Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzdeckung für Schadensersatzanspruch eines Wirecard-Anlegers

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Anspruch auf Deckungszusage in der Rechtsschutzversicherung für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen des Erwerbs von Wirecard-Aktien

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 14.09.2021, Az. 11 O 118/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Mannheim ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind durch einen Rechtsschutzversicherungsvertrag, Versicherungsscheinnummer ..., miteinander verbunden, aus dem der Kläger die Beklagte auf Deckung wegen des Erwerbs von Aktien der Wirecard AG in Anspruch nimmt.

Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ... (ARB) der Beklagten zugrunde.

§ 3a ARB lautet auszugsweise:

"§ 3 a Ablehnung des Rechtsschutzes wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder wegen Mutwilligkeit - Stichentscheid

(1) Der Versicherer kann den Rechtsschutz ablehnen, wenn seiner Auffassung nach

a) in einem der Fälle des § 2 a) bis g) und 2 I) die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder

b) die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen mutwillig ist. Mutwilligkeit liegt dann vor, wenn der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht.

Die Ablehnung ist dem Versicherungsnehmer in diesen Fällen unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen."

§ 17 ARB lautet auszugsweise:

"§ 17 Verhalten nach Eintritt eines Versicherungsfalles

(1) Wird die Wahrnehmung rechtlicher Interessen des Versicherungsnehmers nach Eintritt eines Versicherungsfalles erforderlich, hat er

[...]

c) soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden,

[...]

bb) für die Minderung des Schadens im Sinne des § 82 VVG zu sorgen. Dies bedeutet, dass die Rechtsverfolgungskosten so gering wie möglich gehalten werden sollen. Von mehreren möglichen Vorgehensweisen hat der Versicherungsnehmer die kostengünstigste zu wählen, indem er z.B.:

[...]

- vor Klageerhebung die Rechtskraft eines anderen gerichtlichen Verfahrens abwartet, das tatsächliche oder rechtliche Bedeutung für den beabsichtigten Rechtsstreit haben kann,

[...]

Der Versicherungsnehmer hat zur Minderung des Schadens Weisungen des Versicherers einzuholen und zu befolgen. Er hat den Rechtsanwalt entsprechend der Weisungen zu beauftragen."

Am 12.05.2020 erwarb der Kläger 100 Aktien der Wirecard AG (ISIN De0007472060) zu einem Kaufpreis von je 87,25 EUR, insgesamt für 8.724,90 EUR. Mit Anwaltsschreiben vom 29.07.2020 forderte der Kläger die Beklagte auf, Deckungszusage für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Vorstände Dr. B. und M. sowie gegen die E. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (i.F.: "E.") zu erteilen. Die Beklagte lehnte die Erteilung des Deckungsschutzes erstmals mit Schreiben vom 31.08.2020 und auch nachfolgend ab.

Der Kläger hat vorgetragen:

Seine Klage habe hinreichende Aussicht auf Erfolg und sei nicht mutwillig. Er beabsichtige, den Schadenersatz wegen des Aktienerwerbsgeschäfts geltend zu machen. Der Schadenersatz sei in der Hauptsache auf Erstattung des Kaufpreises für die Aktien der Wirecard AG gerichtet. Der gegen die verantwortlichen Wirecard-Vorstände Dr. B. und M. gerichtete Anspruch sei jeweils begründet gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 17 V0 Nr. 596/2014 wegen (Insider-) Informationspflichtverletzungen, i.V.m. § 331 HGB und i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG wegen unrichtiger Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft (Bilanzmanipulation) sowie i.V.m. §§ 119 Abs. 1 Nr. 1, 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG, Art. 15 VO Nr. 596/2014 wegen Marktmanipulation. Daneben bestünden Ansprüche gemäß §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Der Kläger habe ferner einen Schadensersatzanspruch gegen die verantwortliche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E. gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 HGB wegen Verletzung der Berichtspflicht und gemäß § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung. Der Kläger beruft sich wegen Einzelheiten seiner beabsichtigten Klage auf den als Anlage K 1 vorgelegten Klageentwurf gegen die ehemaligen Vorstände Dr. B. und M. und gegen E. Er ist der Ansicht, dass er nicht dazu verpflichtet sei, den Ausgang von Klagen anderer geschädigter Anleger gegen die gleichen drei Anspruchsgegner wegen gleicher Vorwürfe abzuwarten. Ein Schadensersatzanspruch gegen E. sei auch berechtigt. Die Rechnungslegung der Wirecard AG für die Jahre 2016, 2017 und 2018 sei falsch und die Testate (Bestätigungsvermerke), die E. hierfür erteilt habe, seien es infolgedessen auch....

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