Leitsatz (amtlich)

1. Verrechnungen einer Bank im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die bei einem Kontokorrentkredit im Ergebnis zu einer Verringerung des Debetsaldos führen, sind auch dann inkongruent, wenn die Kreditlinie offen gehalten wurde.

2. Bei einer inkongruenten Deckung scheidet die Annahme eines Bargeschäfts aus.

 

Normenkette

InsO §§ 129, 131 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 29.08.2006; Aktenzeichen 2 O 225/06)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 29.8.2006 - 2 O 225/06 - wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszugs zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i. H. v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 80.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Nachdem die Insolvenzschuldnerin, die Firma H. GmbH, am 8.3.2005 einen Eigenantrag gestellt hatte, wurde mit Beschluss des AG Karlsruhe vom 1.6.2005 (Anlage K 1) das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser begehrt von der Beklagten Auszahlung von Kontokorrentverrechnungen unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung.

Die Insolvenzschuldnerin unterhielt bei der Beklagten das Kontokorrentkonto Nr. ..., auf welchem mit Vertrag vom 14.2./12.3.2003 unbefristet ein Kontokorrentkredit i.H.v. 255.646 EUR eingeräumt worden war (Anlage K 2), zu dessen Sicherung u.a. eine Raumsicherungsübertragung am Warenbestand vereinbart wurde, die gem. Ziff. 9.2. der Vertragsbedingungen eine Abtretung der Verkaufsforderungen aus dem übereigneten Sicherungsgut beinhaltete (Anlage BB 1). Das Kontokorrentkonto wurde im Soll geführt. Während des Monats vor dem am 8.3.2005 gestellten Eigenantrag reduzierte sich das Debet um den Betrag von insgesamt 96.028,51 EUR und belief sich am 8.3.2005 auf noch 147.153,51 EUR. In diesem Zeitraum wurden u.a. zwei Lastschriften vom 25.2.2005 über jeweils 40.000 EUR wieder zurückgebucht. Bereits am 25.2.2005 erfolgte auf Anweisung des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin die Rückbuchung einer Lastschrift für den "Einkaufsverband D. E.", die zweite Lastschrift über 40.000 EUR wurde am 28.2.2005 rückgebucht (vgl. Anlage BB 2).

In einem an die Insolvenzschuldnerin adressierten Schreiben vom 28.2.2005 (Anlage B 3) führte die Beklagte u.a. aus, sie könne auf der Basis der vorgelegten Zahlen den Kontokorrentkredit nicht weiter offenhalten. Sie werde bis auf Widerruf keine Verfügungen mehr zulassen. Der Zugang dieses Schreibens bei der Insolvenzschuldnerin ist streitig.

Mit Schreiben vom 31.8.2005 (Anlage K 5) erklärte der Kläger ggü. der Beklagten wegen eines Betrages von 96.028,51 EUR die Insolvenzanfechtung. Die Beklagte glich hierauf für den Zeitraum bis zum Eigenantrag einen Betrag von 16.028,51 EUR aus, lehnte jedoch eine Zahlung weiterer 80.000 EUR ab (vgl. Anlage K 6).

Der Kläger macht geltend, mangels Bestehens eines fälligen Anspruches handle es sich um eine inkongruente Deckung. Auch ein Bargeschäft sei nicht gegeben. Soweit die Beklagte ein AGB-Pfandrecht einwende, sei dieses mit Nichtwissen zu bestreiten und für den Rechtsstreit nicht relevant.

Die Beklagte meint, es handle sich um eine kongruente Deckung. Sie habe insoweit fällige Ansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin gehabt. Außerdem fehle es an einer Gläubigerbenachteiligung, da sich die Beklagte mit der Eröffnung der Kontoverbindung Sicherheit an Waren jeder Art habe einräumen lassen, Verkaufsforderungen der Insolvenzschuldnerin an sie zur Sicherheit abgetreten seien und ein Pfandrecht greife (vgl. auch Anlage K 3). Die Rückbuchung vom 28.2.2005 sei nach schriftlicher Übermittlung des Schreibens vom selben Tag (Anlage B 3), welches eine Kündigung der Kontokorrentlinie beinhalte, erfolgt. Das Anschreiben sei noch am selben Tag an die Insolvenzschuldnerin gefaxt worden und dort zugegangen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen, der erstinstanzlich gestellten Anträge und des wechselseitigen Parteivorbringens im Übrigen wird auf das Urteil des LG Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

Das LG hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Der Kläger habe Anspruch auf Zahlung von 80.000 EUR. Die Verrechnungen i.H.v. 80.000 EUR seien anfechtbar, da die Beklagte hierdurch eine inkongruente Deckung erlangt habe. Es sei von einem ungekündigten Kontokorrentverhältnis auszugehen. Soweit im Anfechtungszeitraum die verrechneten Einzahlungen die Auszahlungen überstiegen, sei eine Anfechtung wegen inkongruenter Deckung möglich, da in diesem Umfang die Bank den Kunden letztlich nicht wieder über die Eingänge habe verfügen lassen und ihre Darlehensforderung vor Fälligkeit durch die saldierten Gutschriften zurückgef...

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