Leitsatz (amtlich)

Den Waldbesitzer trifft keine Verkehrssicherungspflicht gegen waldtypische Gefahren. Er ist nicht verpflichtet, Bäume einer regelmäßigen Kontrolle zu unterziehen oder Vorsorge gegen durch Windbruch oder Windfall drohende Gefahren zu treffen. Das gilt auch gegenüber Holzeinschlagsberechtigten. Eine Haftung kommt allenfalls in Betracht, wenn im Zuge von Bewirtschaftungsmaßnahmen über das übliche und vorhersehbare Maß hinausgehende akuten Gefahren geschaffen werden.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 24.05.2011; Aktenzeichen 2 O 474/10)

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 24.5.2011 - 2 O 474/10 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsrechtszugs zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger begehren die Feststellung der Schadensersatzpflicht des beklagten Landes wegen der tödlichen Verletzung ihres Ehemannes und Vaters durch einen umstürzenden Baum.

Der Ehemann der Klägerin Ziff. 1 und Vater der Kläger Ziff. 2 und 3, der 31- jährige Volker M., begab sich am Morgen des 3.3.2007 mit seinem Bekannten Jörg W., der ein vertraglich eingeräumtes Holzeinschlagsrecht hatte, in den Staatswald des beklagten Landes auf der GemarkungÖ., um dort an einem Forstwirtschaftsweg abgelegtes Polterholz mit einer Motorsäge zu zerkleinern und abzutransportieren. An diesem Tag herrschte starker Wind mit orkanartigen Böen. Der Waldboden war infolge starker Regefälle in den Tagen zuvor aufgeweicht, die Waldwege morastig. Gegen 12.00 Uhr mittags wurde eine Buche entwurzelt und schlug von hinten auf den Ehemann der Klägerin, der noch vor Ort an dadurch erlittenen Thorax- und Wirbelsäulenverletzungen verstarb.

Das beklagte Land hatte im Distrikt 29 im September/Oktober 2006 eine Sichtung der Bäume auf alters- oder krankheitsbedingte Erscheinungen durchgeführt und vom 2. bis 14.1.2007 Hiebmaßnahmen zur Verjüngung des Bestandes vorgenommen.

Das LG, auf dessen Urteil wegend es weiteren Sach- und Streitstands im ersten Rechtsbezug sowie dei betroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgführt: Bei der Entwurzelung des Baumes durch orkanartige Starkböen bei morasigem Boden habe sich eine waldtypische Gefahr verwirklicht, für die das beklagte Land nicht hafte. Denn im Hinblick auf waldtypische Gefahren erfolge die Benutzung des Waldes gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 1 Satz 2 LWaldG BW auf eigene Gefahr. Eine Pflicht, die Standsicherheit von Bäumen anhand einer Gesundheits- und Zustandsprüfung zu beurteilen und diese gegebenenfalls zu beseitigen, bestehe im Wald und auch entlang eines lediglich forstwirtschaftlichen Zwecken dienenden Weges nicht. Ein strengerer Maßstab gelte auch nicht für Stellen, an denen der Waldbesitzer Polterholz zur Abholung durch holzeinschlagsberechtigte Nutzer bereit gelegt habe. Mangels Kontrollpflicht komme es nicht darauf an, ob sich aus dem Vorhandensein eines Zwiesels und eines ungünstigen Verhältnisses von Höhe und Stammdurchmesser Bedenken hinsichtlich der Standfestiglseit der umgestürzten Buche hätten ergeben müssen. Selbst wenn das Umstürzen des Baumes dadurch verursacht worden sei, dass dessen Standfestigkeit durch die ca. zwei Monate zuvor durchgeführten Hiebmaßnahmen beeinträchtigt worden wäre, ändere dies nicht daran, dass sich eine typische Waldgefahr verwirklicht habe. Denn hierunter fielen auch die durch ordnungsgemäße Waldbewirtschaftung verursachten Gefahren.

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die Feststellung begehren, dass das beklagte Land - die gegen die Gemeinde Ö. gerichtete Klage wurde bereits erstinstanzlich zurückgenommen - verpflichtet ist, den Klägern allen entstandenen und noch entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der durch den Unfalltod des Ehemannes und Vaters am 3.3.2007 im Gewann "K" in Ö. entstanden ist.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug und die dort gestellten Anträge wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 4. April 2012 (II 123) verwiesen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen u.a. für die Bruch- und Standsicherheit von Bäumen, Dr. Thomas H. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.7.2012 (II 229 ff.) Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das beklagte Land hat die ihm obliegende, für den Staatswald hoheitlich ausgestaltete gesetzliche Verkehrssicherungspflicht (§ 71 LWaldG BW; OLG Karlsruhe, Urt. ...

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