Leitsatz (amtlich)

1. Wird aus einem im Hauptsacheverfahren ergangenen, für sofort wirksam erklärten und mit der Beschwerde angegriffenen familiengerichtlichen Beschluss vollstreckt oder leistet der Unterhaltsschuldner Zahlungen zur Abwendung einer solchen Vollstreckung, so steht dem Schuldner im Falle einer sich im Nachhinein als ungerechtfertigt erweisenden Vollstreckung der verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO zu. Der Einwand der Entreicherung kann diesem Anspruch nicht entgegengehalten werden.

2. Werden aus einem im Hauptsacheverfahren ergangenen, für sofort wirksam erklärten und mit der Beschwerde angegriffenen familiengerichtlichen Beschluss laufende Unterhaltsforderungen vollstreckt und ist weiter davon auszugehen, dass der Unterhaltsgläubiger im Falle einer sich im Nachhinein als ungerechtfertigt erweisenden Vollstreckung zur Rückzahlung von zu Unrecht vollstrecktem Unterhalt nicht in der Lage ist, so ist ein Antrag des Unterhaltsschuldners auf Einstellung der Vollstreckung auf Ermessensebene regelmäßig abzulehnen. Etwas anderes kommt in atypischen Sonderfällen in Betracht, insbesondere bei evident bestehender Erfolgsaussicht der Beschwerde oder bei Titulierung exorbitant hoher Unterhaltsverpflichtungen.

3. Zur Frage, ob Leistungen nach dem SGB II für einen Zeitraum bewilligt werden können, in dem der Antragsteller Unterhaltszahlungen auf der Grundlage eines für sofort wirksam erklärten familiengerichtlichen Beschlusses erhalten hat, wenn der Beschluss später aufgehoben wird und die Unterhaltsleistungen zurückgezahlt werden müssen.

 

Verfahrensgang

AG Offenburg (Beschluss vom 18.08.2017; Aktenzeichen 4 F 153/16)

 

Tenor

Der Antrag des Antragsgegners auf Einstellung der Vollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenburg vom 18.08.2017 (4 F 153/16) wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner beantragt im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die einstweilige Einstellung der Vollstreckung aus Ziffer 1, 2 und 4 des im Tenor genannten Beschlusses; danach wurde er für die Zeit ab September 2017 zur Zahlung von laufendem Kindesunterhalt für die Kinder ... (geb. ...) und ... in Höhe von jeweils 128 % des jeweiligen Mindestunterhalts abzüglich hälftigem Kindergeld sowie zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von 1.353,24 EUR monatlich verpflichtet.

Die Beteiligten haben am 07.02.2004 geheiratet. Sie leben getrennt, seit März 2017 bewohnen sie unterschiedliche Wohnungen. Das Scheidungsverfahren ist anhängig (AG Offenburg 4 F 18/17).

Gegen den am 18.08.2017 verkündeten Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Er greift die Einkommens- und Unterhaltsberechnung des Amtsgerichts in zahlreichen Punkten an und gelangt bezüglich des laufenden Unterhalts zu dem Ergebnis, dass gegenüber den Kindern eine Zahlungsverpflichtung in Höhe 120 % des Mindestunterhalts bestehe. Der aktuelle Anspruch auf Trennungsunterhalt betrage rein rechnerisch monatlich 542,84 EUR Elementarunterhalt und 128,67 EUR Altersvorsorgeunterhalt. Trennungsunterhalt sei aber nicht geschuldet, da auf Grund einer seit einiger Zeit bestehenden Beziehung der Antragstellerin zu dem Zeugen ... die Verwirkungstatbestände nach § 1579 Nr. 3, 7 BGB eingriffen; dies habe das Amtsgericht verkannt.

Den Antrag auf Einstellung der Vollstreckung begründet der Antragsgegner im Wesentlichen damit, dass die Antragstellerin sein Angebot abgelehnt habe, die laufenden Unterhaltsbeträge als zins- und tilgungsfreies Darlehen unter Verzicht auf die Rückzahlung im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung zu Gunsten der Antragstellerin zu bezahlen; auch zu einem Verzicht auf die Einrede nach § 818 Abs. 3 BGB sei die Antragsgegnerin nicht bereit gewesen.

Die Antragstellerin tritt dem Einstellungsantrag und der Beschwerde des Antragsgegners entgegen. Sie hat im Übrigen ihrerseits Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss beantragt.

II. Der Antrag auf Einstellung der Vollstreckung ist zulässig (1.), hat in der Sache aber keinen Erfolg (2., 3.).

1. Die Statthaftigkeit des Antrags ergibt sich aus § 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO. Die Zulässigkeit eines an das Beschwerdegericht gerichteten Antrags auf Einstellung der Vollstreckung setzt nicht voraus, dass zuvor ein Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG beim erstinstanzlichen Gericht gestellt wurde (so auch OLG Hamburg vom 26.04.2012 - 2 UF 48/12, juris; OLG Düsseldorf vom 28.01.2013 - II-7 UF 230/12, FamRZ 2014, 870 m.w.N.; Keidel/Weber, FamFG, 19. Auflage 2017, § 120 Rn. 14, 18; Musielak/Borth/Grandel, FamFG, 5. Auflage 2015, § 120 Rn. 3 ; a.A. OLG Frankfurt vom 12.08.2014 - 6 UF 205/14, FamRZ 2015, 1223; vgl. auch OLG Frankfurt vom 15.06.2015 - 6 UF 105/15, FamRZ 2016, 76).

2. In der Sache setzt die Einstellung der Vollstreckung nach § 120 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 2 FamFG insbesondere voraus, dass die Fortsetzung der Vollstreckung dem Antragsgegner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. ...

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