Leitsatz (amtlich)

1. Der Rechtsanwalt erhält - nach altem Recht - keine Verhandlungsgebühr gem. § 35 BRAGO bei Entscheidungen des Gerichts nach § 128 Abs. 4 ZPO (fakultative mündliche Verhandlung). Unter § 128 Abs. 4 ZPO fallen insb. Verweisungsbeschlüsse (§ 281 Abs. 1 ZPO) und Anolrdnungen des Ruhens (§ 251 ZPO).

2. Nach neuem Recht gilt Entsprechendes für die Terminsgebühr des Rechtsanwalts gem. RVG-VV Nr. 3104 Anmerkung (1) Ziff. 1.

 

Normenkette

BRAGO § 35; RVG-VV Nr. 3104; ZPO § 128 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Beschluss vom 29.04.2005; Aktenzeichen 9 O 58/03)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mannheim vom 29.4.2005 - 9 O 58/03 - wie folgt abgeändert:

Aufgrund des vollstreckbaren Beschlusses des LG Mannheim vom 28.2.2005 sind an Kosten zu erstatten: 458,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des BGB seit 22.3.2005 von dem Kläger an die Beklagte.

Der weiter gehende Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde tragen der Kläger zu 1/3, die Beklagte zu 2/3.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 313,20 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger hat am 10.12.2002 eine Vollstreckungsgegenklage gegen die Beklagte beim AG Mannheim erhoben. Mit Beschl. v. 21.1.2003 hat das AG Mannheim auf Antrag des Klägers den Rechtsstreit ohne vorherige mündliche Verhandlung an das LG Mannheim verwiesen. Das LG Mannheim hat mit Beschl. v. 19.2.2003 - ebenfalls ohne mündliche Verhandlung - auf übereinstimmenden Antrag beider Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schriftsatz vom 30.1.2005 hat der Kläger die Klage zurückgenommen. Daraufhin hat das LG mit Beschl. v. 28.2.2005 dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.4.2005 hat der Rechtspfleger die vom Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten - antragsgemäß - auf 675,70 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Hierbei hat der Rechtspfleger eine 10/10 Prozessgebühr und eine 5/10 Verhandlungsgebühr des Prozessbevollmächtigten der Beklagten jeweils aus dem Hauptsache-Streitwert von 6.002,27 EUR berücksichtigt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 5.5.2005. Der Kläger hat zunächst geltend gemacht, bei dem Rechtsanwalt der Beklagten sei lediglich eine 5/10 Prozessgebühr aus dem Hauptsachestreitwert und eine 10/10 Prozessgebühr aus dem Wert der Kosten entstanden. Mit Schriftsatz vom 8.6.2005 hat der Kläger sein Beschwerdeziel korrigiert. Der Kläger beanstandet die Festsetzung der Prozessgebühr durch den Rechtspfleger des LG Mannheim nicht mehr. Er ist allerdings der Auffassung, dass keine Verhandlungsgebühr entstanden sei.

Die Beklagte tritt der sofortigen Beschwerde entgegen. Sie ist der Auffassung, ihr Rechtsanwalt könne eine 5/10 Verhandlungsgebühr gem. § 35 BRAGO beanspruchen. Sowohl der Verweisungsbeschluss des AG Mannheim als auch die spätere Anordnung des Ruhens durch das LG Mannheim seien als eine Entscheidung des Gerichts i.S.v. § 35 BRAGO anzusehen.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Die Beklagte hat einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger lediglich i.H.v. 458,20 EUR nebst Zinsen.

Die vom Kläger zu erstattenden Kosten ergeben sich aus folgender Berechnung:

Gegenstandswert: 6.002,27 EUR

10/10 Prozessgebühr: 375 EUR

Postpauschale: 20 EUR

Zwischensumme: 395 EUR

16 % MwSt 63,20 EUR

Summe: 458,20 EUR

Die Gebühren des Rechtsstreits der Beklagten richten sich nach altem Gebührenrecht. Denn der Auftrag an den Rechtsanwalt der Beklagten ist vor dem 1.7.2004 erteilt worden (§ 61 Abs. 1 S. 1 RVG).

Die Festsetzung der 10/10 Prozessgebühr hat der Senat nicht mehr zu überprüfen, nachdem der Kläger die sofortige Beschwerde insoweit mit Schriftsatz vom 8.6.2005 teilweise zurückgenommen hat. (Der Kläger hat bei der Teilrücknahme berücksichtigt, dass § 32 Abs. 1 BRAGO - vorzeitige Beendigung des Auftrags - keine Anwendung finden kann, da die Beklagte beim AG Mannheim bereits auf die Klage schriftsätzlich erwidert hatte.)

Die von der Beklagten beantragte 5/10 Verhandlungsgebühr steht ihrem Prozessbevollmächtigten nicht zu. Die Voraussetzungen für eine Verhandlungsgebühr sind nach den Vorschriften der BRAGO nicht erfüllt.

Eine (volle) Verhandlungsgebühr gem. § 31 Abs. 1 Ziff. 2 BRAGO ist nicht entstanden, da im Rechtsstreit weder vor dem AG Mannheim noch vor dem LG Mannheim eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat.

Auch die Voraussetzungen einer halben Verhandlungsgebühr gem. § 33 Abs. 1 BRAGO oder § 33 Abs. 2 BRAGO liegen nicht vor. Auch diese Gebühr ("nicht streitige Verhandlung") würde eine mündliche Verhandlung voraussetzen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen auch die Voraussetzungen einer Gebühr gem. § 35 BRAGO ("Entscheidung ohne mündliche Verhandlung") nicht vor. Das AG Mannheim und das LG Mannheim haben keine Entscheidung getroffen, die den Anforderungen d...

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