Entscheidungsstichwort (Thema)

Auffangzuständigkeit bei unbekanntem Kindesaufenthalt

 

Normenkette

FamFG § 152 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

AG Konstanz (Beschluss vom 06.04.2011; Aktenzeichen 2 F 68/11)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Konstanz vom 6.4.2011 (2 F 68/11) in Ziff. 1 und 3 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das AG Konstanz zurückverwiesen.

2. Der Verfahrenswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Eltern des am ... 2007 geborenen Kindes N. K. Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin gem. § 1686 BGB Auskunft über die persönlichen Verhältnisse seiner Tochter.

Aus der geschiedenen Ehe der Eltern ist das weitere Kind M., geboren am ... 1994, hervorgegangen. Nach den Feststellungen des Beschlusses des OLG Karlsruhe vom 15.9.2009 stellte die Polizei die Antragsgegnerin zusammen mit der Tochter N. unter Schutz, nachdem der Sohn M. seine Mutter am 15.7.2008 im Laufe einer Auseinandersetzung schwer verletzt hatte, indem er ihr kochendes Wasser ins Gesicht schüttete. Die Antragsgegnerin wurde in ein anderes Bundesland verbracht, ihr Aufenthaltsort ist geheim. Die Polizei hat alle Maßnahmen getroffen, die Erforschung ihres Aufenthalts zu verhindern. Sie ist lediglich postalisch über das Polizeirevier ... erreichbar. Die von der Polizei getroffenen Schutzmaßnahmen zugunsten der Antragsgegnerin sind auf § 1, 3 PolG gestützt. Seitdem besteht kein Kontakt mehr zwischen Vater und Tochter.

Die zugunsten der Antragsgegnerin getroffenen Schutzmaßnahmen dauern an. Dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist deren Aufenthalt ebenfalls nicht bekannt. Es besteht insoweit lediglich telefonischer Kontakt. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin versuche der Antragsteller durch intensive Recherchen, den Aufenthaltsort der Antragsgegnerin ausfindig zu machen, indem er beispielsweise Fotos der Antragsgegnerin ins Internet stelle, verbunden mit der an türkische Landsleute gerichteten Bitte, ihm bei der Suche nach der Antragsgegnerin zu helfen.

Mit Beschluss vom 6.4.2011 hat das Familiengericht Konstanz den Auskunftsantrag des Antragstellers wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit verworfen (Ziff. 1 des Beschlusses) und dem Antragsteller die Verfahrenskosten auferlegt (Ziff. 3 des Beschlusses). Der Antragsteller habe nicht nachgewiesen, dass das Kind N. seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des Familiengerichts Konstanz habe. Beim Familiengericht Konstanz bestehe auch kein Fürsorgebedürfnis i.S.v. § 152 Abs. 3 FamFG. Auf den Beschluss vom 6.4.2011 wird verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, zu deren Begründung er vorträgt, aufgrund des unbekannten Aufenthalts der Antragsgegnerin bestehe eine Zuständigkeit des Familiengerichts Konstanz nach § 152 Abs. 3 FamFG. Andernfalls wäre der Antragsteller rechtlos gestellt.

II. Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerechte Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Das Familiengericht hat zu Unrecht seine örtliche Zuständigkeit verneint.

Maßgeblich ist die Vorschrift des § 152 FamFG. Der Anspruch auf Auskunft gem. § 1686 BGB soll dem umgangsberechtigten Elternteil einen Ausgleich für die Beschränkung oder den Ausschluss seines Umgangsrechts gewähren. Der Streit über den Umfang der Auskunftspflicht ist daher eine Kindschaftssache i.S.v. § 151 Nr. 2 FamFG (Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 151 Rz. 3).

Zutreffend hat das Familiengericht Konstanz angenommen, dass seine örtliche Zuständigkeit nicht auf die Vorschrift des § 152 Abs. 2 FamFG, die an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes anknüpft, gestützt werden kann. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes N. ist nicht bekannt und lässt sich im Hinblick auf das bestehende polizeiliche Schutzprogramm nicht - zumindest nicht ohne die mögliche Gefährdung des Programms - ermitteln.

Die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts Konstanz ergibt sich jedoch aus § 152 Abs. 3 FamFG. Danach ist - sofern die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts nach § 152 Abs. 1 und 2 FamFG nicht gegeben ist - dasjenige Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk ein Fürsorgebedürfnis hervortritt. Die Vorschrift stellt - nachdem der Gesetzgeber in § 152 FamFG bewusst auf weitere Zuständigkeitsregelungen verzichtet hat - einen Auffangtatbestand dar, der die in Kindschaftssachen gebotene lückenlose Kodifizierung der örtlichen Zuständigkeit gewährleistet (MünchKomm/ZPO/Heilmann, 3. Aufl. 2010, § 152 FamFG Rz. 4). Das Ziel einer lückenlosen Zuständigkeitsregelung erfordert es, den Auffangtatbestand des § 152 Abs. 3 FamFG weit auszulegen (Hoppenz/van Els, Familiensachen, 2009, § 152 FamFG Rz. 2; Bassenge/Roth/Wagner, FamFG/RPflG, 12. Aufl. 2009, § 152 FamFG Rz. 1).

Die Zuständigkeit ist aufgrund des Kriteriums des Hervortretens eines Fürsorgebedürfnisses zu bestimmen, wenn sich der Aufenthalt des Kindes noch nicht...

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