Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, ob eine bestimmte Äußerung "Hassrede" im Sinne des Gemeinschaftsstandards von Facebook ist.

2. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit des Nutzers verpflichtet Facebook nicht unmittelbar, hat aber Ausstrahlungswirkung und ist im Rahmen zivilrechtlicher Generalklauseln und unbestimmter Rechtsbegriffe bei der Auslegung zur Geltung zu bringen. Dies führt nicht dazu, dass Facebook den Beitrag eines Nutzers nur löschen dürfte, wenn die (strafrechtlichen) Grenzen zulässiger Meinungsäußerung überschritten sind. Es genügt, wenn die Äußerung als "Hassrede" zu qualifizieren ist, für die Facebook seine Plattform auch unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit des Nutzers nicht zur Verfügung stellen muss.

3. Das Verbot und die Definition der "Hassrede" im Gemeinschaftsstandard halten der rechtlichen Überprüfung als allgemeine Geschäftsbedingungen stand.

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 26.11.2018, Az. 4 O 270/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Sperrung ihres privaten Nutzerkontos durch die Antragsgegnerin, die die Internetplattform "Facebook" auf www.facebook.com betreibt.

Die Antragstellerin postete auf ihrer eigenen Facebook-Seite folgenden Inhalt:

Prof. [X.] ([Y.]): "Wir schulden den Afrikanern und Arabern nichts. Sie haben ihre Kontinente durch Korruption, Schlendrian, ungehemmte Vermehrung und Stammes- und Religionskriege zerstört und nehmen uns nun weg, was wir mit Fleiß aufgebaut haben."

Die Nutzung des Netzwerks Facebook erfolgt auf der Grundlage einer einmaligen Anmeldung, wobei der Nutzer die Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin akzeptieren muss. Hierzu gehören die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Gemeinschaftsstandards. In letzteren ist unter Teil III Art. 12 "Hassrede" geregelt:

"Grundgedanke dieser Richtlinie

Wir lassen Hassrede auf Facebook grundsätzlich nicht zu. Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung, schließt Menschen aus und kann in gewissen Fällen Gewalt in der realen Welt fördern.

Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Kaste, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Behinderung oder Krankheit. Auch Einwanderungsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft. Wir definieren Angriff als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren. Wir teilen Angriffe wie unten beschrieben in drei Schweregrade ein.

Manchmal teilen Menschen Inhalte, die Hassrede einer anderen Person enthalten, um für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten. So kann es vorkommen, dass Worte oder Begriffe, die ansonsten gegen unsere Standards verstoßen könnten, erklärend oder als Ausdruck von Unterstützung verwendet werden. Dann lassen wir die Inhalte zu, erwarten jedoch, dass die Person, die solche Inhalte teilt, ihre Absicht deutlich macht, so dass wir den Hintergrund besser verstehen können. Ist diese Absicht unklar, wird der Inhalt unter Umständen entfernt.

Wir lassen Humor und Gesellschaftskritik in Verbindung mit diesen Themen zu. Wir sind außerdem der Ansicht, dass die Nutzerinnen und Nutzer, die solche Kommentare teilen, verantwortungsbewusster handeln, wenn sie ihre Klarnamen verwenden.

Mehr zum Thema "Hassrede" in unserem Blog "Hard Questions".

Folgende Inhalte sind untersagt:

Angriffe mit Schweregrad 1 sind Angriffe, die auf eine Person oder Personengruppe abzielen, auf die eine der oben aufgeführten Eigenschaften oder der Einwanderungsstatus zutrifft (einschließlich aller Untergruppen, außer denen, die Gewaltverbrechen oder Sexualstraftaten begangen haben). Ein Angriff wird hier wie folgt definiert:

Jedwede gewalttätige Äußerung zu oder Unterstützung von Tod/Krankheit/Schaden

Entmenschlichende Sprache. Hierzu gehört unter anderem Folgendes: Bezugnahme auf oder Vergleich mit Schmutz, Bakterien, Krankheit oder Fäkalien

Bezugnahme auf oder Vergleich mit Tieren, die kulturell als intellektuell oder körperlich unterlegen gelten

Bezugnahme auf oder Vergleich mit Untermenschlichkeit

Die Verspottung des Konzepts "Hassverbrechen" im Allgemeinen, konkreter Hassverbrechen oder der Opfer von Hassverbrechen, selbst wenn keine reale Person in einem Bild abgebildet ist

Bestimmte entmenschlichende Vergleiche sowohl in schriftlicher als auch in visueller Form

Angriffe mit Schweregrad 2 sind Angriffe, die auf eine Person oder Personengruppe abzielen, auf die eine der oben aufgeführten Eigenschaften zutrifft. Ein Angriff wird hier wie folgt definiert:

Aussagen über Minderwertigkeit oder Bilder, die implizieren, dass eine Person oder eine Gruppe körperliche, geistige oder moralische Defizite aufweist

Körperlich (unter anderem "ver...

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