Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens bei der Prüfung der Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe müssen neben dem Erwerbstätigenfreibetrag des § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b ZPO auch konkrete berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nrn. 1b, 1a; SGB XII § 82 Abs. 2 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG (Beschluss vom 18.04.2007)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - FamG - vom 18.4.2007 betreffend die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dahingehend abgeändert, dass die Antragsgegnerin keine Raten auf die Prozesskosten an die Landeskasse zu zahlen hat.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin hat für ihre Rechtsverteidigung in einem Ehescheidungsverfahren beim FamG um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht.

Das FamG hatte mit dem angefochtenen Beschluss vom 18.4.2007 der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr monatliche Raten von jeweils 60 EUR auf die Prozesskosten auferlegt. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 30.4.2007. Mit Verfügung vom 2.5.2007 hat das FamG W. die Berechnung der Raten und des einzusetzenden Einkommens vorgenommen. Es ergab sich ausgehend von einem monatlichen Nettoverdienst von 2.004,53 EUR, abzgl. der Krankenversicherung und Pflegeversicherung, der Freibeträge sowie der Unterkunft- und Heizkosten ein einzusetzendes Einkommen von 154,91 EUR und damit eine monatliche Ratenzahlungsverpflichtung von 60 EUR. Mit ihrer Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, dass zusätzlich zum Erwerbstätigenfreibetrag von 173 EUR noch die Kosten der Fahrt zur Arbeitsstätte, wie in der PKH-Erklärung angegeben, abzusetzen seien.

Das FamG hat mit Beschluss vom 8.5.2007 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, dass neben dem Erwerbstätigenfreibetrag Fahrtkosten nur dann abgezogen werden können, wenn sie diesen überschreiten, was vorliegend nicht der Fall sei. Im Beschwerdeverfahren weist die Antragsgegnerin noch darauf hin, dass sie zusätzliche Kindesunterhaltsverpflichtungen von monatlich 400 EUR habe und einen weiteren Darlehenskredit von 300 EUR bedienen müsse.

II. Die statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist auch zulässig und begründet. Der Antragsgegnerin ist für ihre Rechtsverteidigung im Ehescheidungsverfahren vor dem FamG ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Im Rahmen der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens der Antragsgegnerin kann zunächst auf die Berechnung durch das FamG in der Verfügung vom 2.5.2007 Bezug genommen werden. Die dort vorgenommenen Berechnungen und Abzüge werden von der Antragsgegnerin nicht angegriffen und sind auch zutreffend. Hinzuweisen ist lediglich darauf, dass mit der PKH-Bekanntmachung 2007 (BGBl. I 2007, S. 1058) für die Zeit ab dem 1.7.2007 der Erwerbstätigenfreibetrag auf 174 EUR, der Freibetrag Partei auf 382 EUR und der Unterhaltsfreibetrag Kind auf 267 EUR angehoben wurden. Entgegen der Auffassung des FamG müssen neben dem Erwerbstätigenfreibetrag des § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b ZPO auch konkrete berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden. Dies ergibt sich aus der Inbezugnahme in § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1a ZPO auf § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII. Nach dieser Bestimmung sind vom Einkommen auch "die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben" abzusetzen. Aus diesem Regelungsgehalt ergibt sich damit kein Alternativverhältnis dieser Abzüge, vielmehr treten sie nebeneinander. Zu den notwendigen berufsbedingten Aufwendungen gehören auch Fahrtkosten zum Arbeitsplatz (vgl. Zimmermann, Prozesskostenhilfe - insbesondere in Familiensachen - 3. Aufl. 2007, Rz. 88). Zur Ermittlung der Höhe der Fahrtkosten nimmt der Senat Bezug auf die Sätze der Nr. 10.2.2 der Süddeutschen Leitlinien (Stand 1.7.2005), die sich an der Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG orientieren. Danach ist pro gefahrenen Kilometer ein Satz von 0,30 EUR zugrunde zu legen, bei langen Fahrtstrecken über 30 km einfach hinaus für jeden Mehrkilometer 0,20 EUR. Bei einer Fahrtleistung der Antragsgegnerin von 30 km täglich und unter Zugrundelegung von 220 Arbeitstagen ergibt sich ein monatlicher Abzugsbetrag von 165 EUR. Reduziert man das mit Verfügung des FamG vom 2.5.2007 errechnete einzusetzende Einkommen um diesen Betrag, ergibt sich ein Negativbetrag, sodass nach der Tabelle zu § 115 ZPO von der Antragsgegnerin auf die Prozesskosten keine Raten mehr zu leisten sind.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1956310

FamRZ 2008, 69

OLGR-Süd 2008, 393

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