Leitsatz (amtlich)

Die Benutzung eines Leichtkraftrades mit einem Hubraum von nicht mehr als 50 Kubikzentimetern und einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 50 km/h ist durch den Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse 4 dann nicht mehr gerechtfertigt und stellt ein Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 StVG dar, wenn das Leichtkraftrad auch ohne Vornahme technischer Veränderungen regelmäßig eine wesentlich höhere Geschwindigkeit als die bauartmäßig Zulässige erreichen kann.

 

Gründe

I.

Nach den getroffenen Feststellungen fuhr der Angekl. unter anderem am 18.05.2001 gegen 19 Uhr mit seinem Leichtkraftrad auf der Bundesstraße..., wobei er zwei Polizeibeamten auf Grund seines Fahrverhaltens auffiel. Bei der daraufhin eingeleiteten Nachfahrt wies der ungeeichte Tacho des Polizeifahrzeugs über eine Strecke von ca. l km bei gleich bleibendem Abstand eine Geschwindigkeit von etwa 90 km/h auf.

Das AG hat das Verhalten des Angekl. als strafbar angesehen, weil dieser lediglich im Besitz der Fahrerlaubnis der (früheren) Klassen 3, 4 und 5 gewesen sei und deshalb nur ein Leichtkraftrad habe fahren dürfen, welches eine Geschwindigkeit von nicht mehr 50 km/h erreiche. Es hat ihn deshalb wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in mindestens fünf Fällen im Zeitraum vom 15.01.2001 bis 18.05.2001 zu einer Gesamtgeldstrafe von 20 Tagessätzen zu je EUR 35 verurteilt.

Mit seiner Revision erhebt der Angekl. mehrere Verfahrensrügen und beanstandet die Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das AG zur neuen Verhandlung und Entscheidung angetragen.

II.

Die Revision hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, welche zur Aufhebung des Urteils und zur Freisprechung des Angeld, führt.

1.

Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung der Revision, dass allein das Vorhandensein einer der Fahrerlaubnisklasse 4 entsprechenden Betriebserlaubnis für das Leichtkraftrad dazu führe, dass ein Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis ausscheide. So ist anerkannt, dass fahrzeugbezogene technische Veränderungen, welche eine Erhöhung der Geschwindigkeit bewirken, zu einem Erlöschen der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs führen können, sodass ein Vergehen des § 21 StGB dann vorliegt, wenn der Führer nicht über die dann notwendige Fahrerlaubnis verfügt (OLG Hamm, DAR 1982, 336 f.; Janiszewski, Verkehrsstrafrecht, 4. Aufl. 1994, Rdz. 619; zur Verfassungsmäßigkeit der Führerscheinspflicht bei einem Mofa 25, vgl. BVerfGE 51, 60 ff. ). Eine Teilnahme am öffentlichen Verkehr kann aber auch dann nach § 21 Abs. 1 StVG strafbewehrt sein, wenn ein Kraftfahrzeug - wie hier - auch ohne Vornahme technischer Veränderungen eine Geschwindigkeit erreicht, welche wesentlich über der durch seine Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit liegt.

a.

Entschieden wurde dies bereits durch das OLG Hamm (NJW 1978, 332 f. ) in einem Fall eines für eine Geschwindigkeit von 25 km/h zugelassenen Fahrrades mit Hilfsmotor (Mofa 25), welches unabhängig von an ihm vorgenommenen technischen Veränderungen bis zu 40 km/h schnell fuhr. Der dortige Senat ist davon ausgegangen, dass der Mofafahrer dieses nur mit einer Fahrerlaubnis hätte benutzen dürfen, weil es mehr als die bauartmäßig konkret zugelassene Geschwindigkeit von 25 km/h erreichen konnte.

b.

Dieser Ansicht schließt sich der Senat auch für Kleinkrafträder mit einem Hubraum von nicht mehr als 50 Kubikzentimetern und einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 50 km/h grundsätzlich an, welche mit der (früheren) Fahrerlaubnis der Klasse 4 betrieben werden dürfen. Dabei kommt es auf den Fortbestand der erteilten Betriebserlaubnis - § 19 Abs. 2 Satz 2 StVZO sieht ein Erlöschen grundsätzlich nur bei Vornahme von spezifischen Änderungen vor - nicht an, denn eine bestehende Betriebserlaubnis hat in solchen Fällen keinen konstitutiven Charakter für die Notwendigkeit einer Fahrerlaubnis bzw. deren Einordnung in bestimmte Klassen (ebenso OLG Hamm, a.a.O. ).

c.

Nach Auffassung des Senats reicht es aber bereits für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes nicht aus (Einschränkungen im subj. Bereich bejahend: OLG Hamm, a. a. O), wenn ein Fahrzeug - möglicherweise allein auf Grund Zeitablaufs eingetretener Verschleißerscheinungen - nur unwesentlich schneller als erlaubt fährt. Die Sicherheit des Straßenverkehrs, welche der Gesetzgeber durch die Notwendigkeit einer Fahrerlaubnis gewährleisten will, wird hierdurch nämlich nicht nennenswert beeinträchtigt. Zudem bedarf es - auch wegen der unklaren Gesetzeslage - klarer und eindeutiger Regelungen, aus welchen der Betroffene erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen er sich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar macht (vgl. BVerfG, a.a.O. ). Bei nur geringfügigen Überschreitungen der bauart-. mäßig zugelassenen Geschwindigkeit ist dies nicht möglich, zumal solche für den Betroffenen zumeist nicht erkennbar sein dürften. Kann das Leichtkraftradrad...

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