Entscheidungsstichwort (Thema)

Befangenheitsantrag wegen vorgeblicher Voreingenommenheit der Richterin in einem Gerichtstermin

 

Verfahrensgang

AG Villingen-Schwenningen (Beschluss vom 08.02.2011; Aktenzeichen 3 F 327/10)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Villingen-Schwenningen vom 8.2.2011 - 3 F 327/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.236,60 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin lehnt die zuständige Abteilungsrichterin des Familiengerichts wegen Befangenheit ab.

Die Beteiligten sind verheiratet. Sie leben getrennt. Im vorliegenden Verfahren nimmt die Antragstellerin den Antragsgegner auf Trennungs- und Kindesunterhalt in Anspruch. Im Unterhaltsverfahren ist eine große Zahl der Positionen der Unterhaltsberechnung streitig. Im Termin vom 27.10.2010 ging es namentlich um unterhaltsrelevante Abzüge bei der Einkommensberechnung des Antragsgegners durch zusätzliche Altersvorsorge (Riester-Rente), ehebedingte Verbindlichkeiten (u.a. Rechtsanwaltsgebühren), die Höhe eines bei der Antragstellerin zu berücksichtigenden Wohnwerts, aber auch Aspekte der Vermögensauseinandersetzung. Die Positionen wurden im Termin vom 27.10.2010 jeweils streitig erörtert. Die gemeinsame Tochter der Beteiligten D. ist zuckerkrank. Aus diesem Grund entspann sich im Termin vom 27.10.2010 ein intensiver Streit um die Frage, ob der für D. anfallende Steuerfreibetrag im Hinblick auf den besonderen Betreuungsaufwand ganz der Antragstellerin zusteht oder zwischen den Beteiligten hälftig aufzuteilen ist. Als der Antragsgegnervertreter das Ansinnen der Antragstellerin, den Freibetrag vollständig für sich in Anspruch zu nehmen, als "Frechheit" bezeichnete, forderte der Antragstellervertreter die abgelehnte Richterin auf, diese Bemerkung ins Protokoll aufzunehmen. Die abgelehnte Richterin lehnte dies mit der Bemerkung ab, man sei in einem Gerichtssaal und nicht in einem Kindergarten. Hierauf lehnte die Antragstellerin die Abteilungsrichterin wegen Befangenheit ab.

Die Antragstellerin trägt vor, die abgelehnte Richterin habe zu den streitigen Positionen der Unterhaltsberechnung (Wohnwert, ehebedingte Verbindlichkeiten, zusätzliche Altersvorsorge etc.) jeweils für die Antragstellerin nachteilige Rechtsansichten vertreten. Während die Antragstellerin ihre Position habe vortragen wollen, habe die abgelehnte Richterin sie nicht angehört, sondern sie immer wieder mit der Bemerkung unterbrochen, der Vortrag sei nicht von Belang. Demgegenüber habe sie der Gegenseite sehr viel mehr Redezeit zugestanden und darüber hinaus den unsachlichen, provozierenden, aggressiven und redundanten Vortrag des Antragsgegnervertreters, der lautstark vorgetragen und verletzend gewesen sei, geduldet (indem sie beispielsweise die Riester-Rente, die der Antragsgegner erst nach der Inanspruchnahme auf Unterhalt abgeschlossen habe, ausdrücklich begrüßt habe). Die abgelehnte Richterin habe der Antragstellerin von Anfang an kritisch gegenübergestanden. Beispielsweise sei sie auf eine von der Antragstellerin geäußerte Rechtsansicht nicht eingegangen, sondern habe gegengefragt: "Haben Sie Jura studiert?" Die Antragstellerin fühle sich durch die Verhandlungsführung der abgelehnten Richterin benachteiligt. Sie fühle sich von ihr ungehörig behandelt und schlecht verstanden. In einem Fall habe die abgelehnte Richterin sogar erklärt, die Antragstellerin "möge bitte den Mund halten". Mehrfach habe die abgelehnte Richterin gedroht, kurzerhand zu entscheiden, wenn man ihren Vorstellungen nicht entspreche. Dies widerspreche den Vorgaben der ZPO. Es sei allgemein bekannt, dass die abgelehnte Richterin mit dem rechtsuchenden Publikum kurz angebunden umgehe. Dies sagten auch andere Rechtsanwaltskollegen aus dem Familiengerichtsbezirk Dies sei für eine Tätigkeit im Familienrecht nicht günstig. In einem anderen Verfahren habe sie einmal einen Verlegungsantrag mit einer unzutreffenden Begründung abgelehnt und öffentlich den Eindruck erweckt, die Entscheidung sei zu Recht erfolgt.

Im Rahmen ihrer dienstlichen Stellungnahme hat die abgelehnte Richterin erklärt, im Termin vom 27.10.2010 habe die Antragstellerin immer wieder lautstark und sehr emotional ihre Positionen vorgetragen. Trotz Ermahnung des Gerichts zu sachlichem Vortrag habe sie hieran festgehalten und weder die abgelehnte Richterin noch den Gegner ausreden lassen. Der Antragstellervertreter habe nicht mäßigend auf sie eingewirkt. Er habe umgekehrt immer wieder die Verhandlungsführung des Antragsgegnervertreters als aggressiv und ungehörig kritisiert sowie erklärt, Belehrungen müsse er sich auf Grund seiner jahrzehntelangen Erfahrung in Familiensachen nicht bieten lassen. In dieser emotional erregten Atmosphäre habe sie dann den Protokollierungswunsch des Wortes "Frechheit" durch den Antragstellervertreter mit der Bemerkung abgelehnt, man sei in einem Gerichtss...

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