Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Spruchverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1) Vertritt der Rechtsanwalt im Spruchverfahren mehrere Antragsteller, so beträgt der Gegenstandswert für seine Tätigkeit gemäß § 31 Abs. 2 RVG mindestens 5.000 EUR multipliziert mit der Zahl der von ihm vertretenen Antragsteller.

2) Der Beschluss über die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 33 Abs. 1 RVG ist zuzustellen. Durch eine formlose Mitteilung wird die Beschwerdefrist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG nicht in Lauf gesetzt.

 

Normenkette

AktG §§ 304-305; GNotKG § 74; RVG §§ 31, 33; SpruchG § 1

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Beschluss vom 17.04.2019; Aktenzeichen 24 AktE 12/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Rechtsanwälte J, N und R wird der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 17.04.2019 - 24 AktE 12/09 - wie folgt abgeändert:

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Verfahren erster Instanz wird für Rechtsanwalt J auf 30.000 EUR, für Rechtsanwalt N auf 10.000 EUR und für Rechtsanwalt R auf 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Beschwerdeverfahren betrifft die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit in einem Spruchverfahren.

Das Spruchverfahren betraf in der Hauptsache die gerichtliche Festsetzung des angemessenen Ausgleichs und der angemessenen Barabfindung von Minderheitsaktionären aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages. Der Geschäftswert für das gerichtliche Verfahren erster Instanz wurde durch Beschluss des Landgerichts vom 20.7.2015 auf 298.554,90 EUR festgesetzt. Insgesamt belief sich die Anzahl der Anteile aller Antragsteller auf 4.598 Aktien.

Die im Spruchverfahren als Verfahrensbevollmächtigte tätig gewesenen Rechtsanwälte J, N und R haben jeweils Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes für ihre anwaltliche Tätigkeit gestellt. Im Verfahren hatte Rechtsanwalt J 6 Antragsteller, die Rechtsanwälte N und R hatten jeweils 2 Antragsteller vertreten. Für die von ihnen jeweils vertretenen Antragsteller ist nach der Vermutung des § 31 Abs. 1 S. 3 RVG von jeweils nur einer gehaltenen Aktie auszugehen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 17.4.2019 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für jeden der genannten Anwälte auf 5.000 EUR festgesetzt, weil - wie unstreitig - auf die Anzahl der Aktien aller vom jeweiligen Rechtsanwalt vertretenen Antragsteller ein nach § 31 Abs. 1 S. 1 RVG errechneter Bruchteil des Gesamtwertes entfällt, welcher geringer ist als der in § 31 Abs. 1 S. 4 RVG vorgesehene Mindestwert von 5.000 EUR. Dieser Mindestwert sei nur einmal in Ansatz zu bringen, eine Vervielfachung dieses Mindestwerts bei Vertretung mehrerer Antragsteller finde nicht statt.

Dieser Beschluss wurde den Beteiligten formlos übermittelt. Der Ausfertigungsvermerk trägt das Datum 29.4.2019. Gegen den Beschluss wurde von Rechtsanwalt J mit Schriftsatz vom 3.5.2019, eingegangen am selben Tag beim Landgericht, von Rechtsanwalt N mit Schriftsatz vom 13.5.2019, eingegangen am selben Tage beim Landgericht, und von Rechtsanwalt R mit Schriftsatz vom 30.9.2019, eingegangen am selben Tage beim Landgericht, Beschwerde eingelegt, welcher das Landgericht jeweils nicht abgeholfen hat. Die Beschwerdeführer machen geltend, es sei gemäß § 31 Abs. 2 RVG der Mindestwert von 5.000 EUR mit der Zahl der vom jeweiligen Rechtsanwalt vertretenen Antragsteller zu multiplizieren.

Die Antragsgegnerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II. 1) Die Beschwerden sind zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 33 Abs. 3 S. 1 RVG. Die beschwerdeführenden Rechtsanwälte sind antragsberechtigt gemäß § 33 Abs. 2 S. 2 RVG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt jeweils 200 EUR. Die Beschwerden wurden auch fristgerecht eingelegt. Zwar gilt nach § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eine Beschwerdefrist von 2 Wochen ab Zustellung. Da das Landgericht die gebotene (Potthoff, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, § 33 Rn. 48) Zustellung nicht vorgenommen hat, wurde die Frist nicht in Lauf gesetzt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 517 Rn. 1, 8; BGH, Beschluss vom 26.11. 2002 - VI ZB 41/02, juris Rn. 11). Mangels Zustellungswillens ist zu keinem Zeitpunkt eine Heilung des Zustellungsmangels eingetreten (vgl. BGH a.a.O.).

2) Die Beschwerden sind begründet.

In Spruchverfahren entspricht der Gegenstandswert für den Verfahrensbevollmächtigten nicht dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Geschäftswert. Letzterer folgt aus § 74 GNotKG und ist abhängig vom Ergebnis des Spruchverfahrens, beläuft sich jedoch auf mindestens 200.000 EUR. Der für den Verfahrensbevollmächtigten eines Antragstellers maßgebliche Gegenstandswert entspricht gemäß § 31 Abs. 1 RVG einem Bruchteil des Geschäftswerts nach § 74 GNotKG. Der Bruchteil wird gebildet aus dem Verhältnis der Anteile des vertretenen Antragstellers zur Gesamtzahl der Anteile aller Antragsteller. Der Gegenstandswert beträgt jedoch mindestens 5.000 EUR. Vertritt ein Verfahrensbevollmächtigter mehrere Antragsteller, so sind die auf...

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