Leitsatz (amtlich)

§ 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO findet im Verfahren der einstweiligen Verfügung Anwendung, wenn der Anlass zur Einreichung des Verfügungsantrags im Zeitraum zwischen der Aufgabe des Antrags zur Post und seinem Eingang beim Gericht entfällt, der Verfügungskläger hiervon aber erst nach Einreichung des Antrags Kenntnis erlangt.

 

Normenkette

ZPO § 269 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Beschluss vom 29.08.2011; Aktenzeichen 11 O 47/11 KfH)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des LG Heidelberg vom 29.8.2011 - 11 O 47/11 KfH - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert wird auf 1.597,60 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Kostenfolge nach Rücknahme eines Verfügungsantrages wegen Wegfalls des Anlasses zur Antragstellung vor Anhängigkeit des Antrages.

Der Antragsteller, ein Verein zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, hatte gegen die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 15.7.2011, der am 19.7.2011 bei Gericht eingegangen ist, den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der dieser die Bewerbung eines Körperpflegeproduktes mit der Wiedergabe von Testurteilen untersagt werden sollte, soweit die Fundstelle der Veröffentlichung des Tests nicht leicht und eindeutig lesbar angegeben ist.

Dem Antrag war vorausgegangen, dass die Antragsgegnerin in einer Zeitschrift ihr Produkt mit der Wiedergabe eines Testurteils beworben hatte und dabei die Fundstelle in einer Druckgröße wiedergegeben hatte, die der durchschnittliche Leser nicht leicht und eindeutig entziffern kann (Anlage A 1). Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin abgemahnt und unter Androhung gerichtlicher Schritte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 13.7.2011 aufgefordert. Nach Verstreichen der Frist hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 15.7.2011 den oben genannten Antrag auf Erlass einer einstweilige Verfügung gestellt. Vor Eingang des Antrages bei Gericht am 19.7.2011 hat die Antragsgegnerin mit Telefax vom 18.7.2011 eine die Wiederholungsgefahr entfallen lassende strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben (Anl. A 5). Daraufhin hat der Antragsteller den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgenommen. Die Parteien haben wechselseitige Kostenanträge gestellt.

Das LG hat der Antragsgegnerin die Kosten des Verfügungsverfahrens auferlegt (B. v. 29.8.2011) und der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Antragsgegnerin nicht abgeholfen (B. v. 30.9.2011).

II. Die zulässige und insbesondere statthafte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Antragsgegnerin sind nach Rücknahme des Antrags nach billigem Ermessen gem. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens aufzuerlegen, da sie ohne Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung in dem Eilverfahren unterlegen wäre.

a) Zu Recht hat das LG im Streitfall eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO getroffen.

aa) Die Regelung in § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO besagt: Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wird. Bis zur Einführung dieser Regelung hatte ein Kläger in diesen Fällen keine Möglichkeit, in dem laufenden Verfahren eine für ihn nachteilige Kostenentscheidung zu vermeiden, selbst wenn der Beklagte Anlass zur Erhebung der Klage gegeben hatte. Ihm war auch der Weg über eine Erledigungserklärung mit dem Ziel einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO verschlossen, weil diese Möglichkeit eine Erledigung des Rechtsstreits nach Rechtshängigkeit voraussetzt. Deshalb hat das ZPO-Reformgesetz eine Abweichung von dem Grundsatz des § 269 Abs. 3 Satz 2 eingeführt: Aus Gründen der Prozessökonomie ist ausnahmsweise ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch bereits für die Kostenentscheidung des laufenden Rechtsstreits zu berücksichtigen; ein neues Verfahren wird dafür nicht erforderlich (BGH NJW-RR 2005, 1662).

bb) Diese Regelung wird im Fall der Rücknahme einer Klage nicht nur für den Zeitraum des Wegfalls des Anlasses der Klage zwischen Anhängigkeit und Zustellung der Klage, sondern auch auf den Wegfall des Klageanlasses in der Zeit vor Einreichung der Klage angewendet (Zöller/Greger, ZPO, 29, Aufl., § 269 Rz. 8c; Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 269 Rz. 53; OLGReport München 2004, 218; OLG Jena Beschl. v. 3.6.2011 - 4 W 248/11 zitiert nach Juris; KG NJW-RR 2009, 1411; LG Düsseldorf NJW-RR 2003, 213). Auch in denjenigen Fällen, in denen sich die Erbringung der geschuldeten Leistung mit der Klageeinreichung kreuzt (so Stein/Jonas, a.a.O.), spricht die Prozessökonomie, so die ganz herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung, für ...

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