Leitsatz (amtlich)

Es begründet nicht die Besorgnis der Befangeheit, wenn der Richter mit einem im Rechtsstreit nicht tätigen Mitglied der Kanzlei eines der Prozessbevollmächtigten befreundet ist (hier: Trauzeuge). Ebensowenig begründet es die Besorgnis der Befangenheit, wenn der Richter von einem anderen Anwalt derjenigen Sozietät anwaltlich vertreten wird, in der auch der Prozessbevollmächtigte einer Partei tätig ist.

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 23.12.2015; Aktenzeichen 5 O 368/14)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 23.12.2015, Az. 5 O 368/14, wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 800.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beklagten wenden sich mit der sofortigen Beschwerde gegen den Kammerbeschluss des Landgerichts, mit dem ihr Ablehnungsgesuchs gegen den zuständigen Einzelrichter für unbegründet erklärt wurde.

Wegen des Sachverhalts wird auf die Darstellung unter I. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Landgericht hat das Befangenheitsgesuch für unbegründet erklärt. Ein besonderes Näheverhältnis des Richters zu einem Mitglied der Kanzlei, das mit der Bearbeitung des Verfahrens zu keinem Zeitpunkt befasst war, genüge nicht, um berechtigte Besorgnis an der Unbefangenheit des Richters zu begründen. Hinzu komme hier, dass wegen der Größe der auf Klägerseite auftretenden Kanzlei und deren Spezialisierung ein besonderes Interesse jedes einzelnen Anwalts am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits, das wegen der freundschaftlichen Verbindung eines nicht sachlich befassten Sozietätsmitglieds mit dem erkennenden Richter dessen Befangenheit begründen würde, nicht zu erkennen sei. Auch die Mandatierung des in der Kanzlei der Klägervertreter tätigen Freundes durch den Einzelrichter rechtfertige nicht die Besorgnis der Befangenheit. Bei einer solchen Mandatierung gehe es zwar um ein Vertrauensverhältnis, und es sei nahezu ausgeschlossen, dass sich ein Richter von dem Vertrauen, das er als Mandant in die fachliche Leistungsfähigkeit des Anwalts gefasst habe, frei machen könne. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass Vertrauen üblicherweise gegenüber natürlichen Personen gefasst werde, so dass aus der formalen Beauftragung einer Sozietät nicht auf ein Vertrauensverhältnis gegenüber allen Mitgliedern der Sozietät geschlossen werden könne. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem zuständigen Einzelrichter und der im vorliegenden Rechtsstreit tätigen Klägervertreterin ein persönliches oder fachliches Vertrauensverhältnis bestehe.

Gegen diesen ihnen am 14.01.2016 zugestellten Beschluss haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 28.01.2016, eingegangen beim Landgericht am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie sind der Auffassung, die Voraussetzungen, unter denen eine Partei berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters haben dürfe, lägen vor. Hierzu seien die tatsächlichen Umstände kumulativ zu würdigen, nicht nur jeder Umstand für sich, wie es das Landgericht getan habe. Zu berücksichtigen sei, dass die Kanzlei der Klägervertreter eine besonders renommierte Kanzlei nur mittlerer Größe mit sieben Rechtsanwälten sei, die alle auf das private Baurecht spezialisiert seien. Es sei daher eine höhere Nähe zwischen den Sozien zu erwarten als bei einer Großkanzlei. Hinzu komme, dass der Kläger ein prominenter Immobilienkaufmann im Raum Freiburg sei und daher ein Mandant von wirtschaftlich besonderer Bedeutung für die gesamte Kanzlei. Vor diesem Hintergrund lasse der Umstand, dass der Einzelrichter mit einem Mitglied der Kanzlei besonders eng befreundet sei, aus der Sicht der Beklagten die Erwartung zu, dass auch die im vorliegenden Verfahren sachbearbeitenden Rechtsanwälte den engen Kontakt eines ihrer wenigen Partner zum Richter möglicherweise nutzen könnte und dass der Richter sich von der Interessenlage und der Fürsprache seines Freundes zugunsten dessen sachbearbeitender Kollegin nicht ganz freimachen könne. Hinzu komme, dass die Sozietät der Klägervertreterin insgesamt die Kanzlei sei, die den Richter in eigener Sache vertrete. Es könne nicht darauf ankommen, ob der sachbearbeitende Anwalt unter den sieben Partnern der Kanzlei des Klägervertreters gerade die Person sei, die auch im vorliegenden Falle die Interessen des Klägers vertritt. Der gute Ruf einer Kanzlei führe in aller Regel dazu, dass der Mandant sämtlichen Mitgliedern der Kanzlei besonderes Vertrauen entgegenbringe, zumal er jederzeit mit einer Vertretung durch andere Mitglieder der Sozietät rechnen müsse. Es komme auch nicht darauf an, ob die Kammer des Landgerichts aufgrund eigener Erfahrungen davon ausgehe, dass das Vertrauen zu mehreren Mitgliedern einer Sozietät unterschiedlich sein könne, sondern es komme auf die Betrachtung aus der Sicht der Beklagten an.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten is...

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