Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang des Unterhaltsanspruchs auf Sozialleistungsträger - Einschränkung für Unterkunftskosten; Beschränkung des Unterhaltsanspruchs wegen vorsätzlicher schwerer Verfehlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Von den Unterkunftskosten mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung des in einem Heim lebenden und Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung beziehenden Unterhaltsberechtigten unterliegen gemäß §§ 94 Abs. 1 S. 6, 105 Abs. 2 SGB XII 56 % nicht der Rückforderung und stehen damit einem Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII entgegen (BGH FamRZ 2015, 1594). Dies ist rechnerisch in der Weise durchzuführen, dass der nicht der Rückforderung unterliegende Wohnkostenanteil wie Wohngeld behandelt wird und somit den rechnerischen Unterhaltsbedarf vermindert.

2. Die Einschränkung des Anspruchsübergangs nach §§ 94 Abs. 1 S. 6, 105 Abs. 2 SGB XII greift nicht ein, wenn dem Unterhaltsberechtigten ausschließlich Sozialleistungen nach dem 7. Kapital des SGB XII (Hilfe zur Pflege) gewährt wurden (Abgrenzung zu BGH FamRZ 2015, 1594).

3. Zur Beschränkung des Anspruchs auf Elternunterhalt gemäß § 1611 BGB wegen früherer Verletzung der elterlichen Pflicht zu Schutz und Beistand für ein in den 1960er Jahren zum Opfer einer innerfamiliären Vergewaltigung gewordenes Mädchen.

 

Normenkette

BGB §§ 1601-1603, 1611; SGB XII §§ 94, 105

 

Verfahrensgang

AG Bruchsal (Beschluss vom 11.04.2014; Aktenzeichen 3 F 359/13)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bruchsal vom 11.04.2014, Az. 3 F 359/13, in Ziffer 1 abgeändert, im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller 922,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 14.06.2013 zu zahlen. Der weiter gehende Antrag wird abgewiesen.

2. Die weiter gehende Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen der Antragsteller 44 % und die Antragsgegnerin 56 %.

4. Die sofortige Wirksamkeit des Ausspruchs zu Ziffer 1 wird angeordnet.

5. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.770 EUR festgesetzt.

6. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller - Bezirk Oberfranken, Sozialverwaltung - begehrt aus übergeleitetem Recht von der Antragsgegnerin Elternunterhalt für die Mutter der Antragsgegnerin, R. S., für den Zeitraum 1.6.2012 bis 30.6.2013.

Die Mutter der Antragsgegnerin ist am ... 1923, die Antragsgegnerin am ... 1954 geboren. Die Antragsgegnerin wuchs als Kind im Haushalt ihrer Eltern mit 4 (teilweise Halb-) Geschwistern auf. Im Alter von 12 oder 13 Jahren wurde sie von ihrem etwa 2 Jahre älteren Bruder im gemeinsamen Kinderschlafzimmer vergewaltigt. Sie empfing hierbei ein Kind. Dies wurde erst im fünften oder sechsten Schwangerschaftsmonat offenbar. Nach Einschaltung der Jugendbehörde kam die Antragsgegnerin in ein Mutter-Kind-Heim, wo sie am ... 1967 ihr Kind entband. Der Sohn ist schwer behindert.

Die Antragsgegnerin kehrte sodann in den elterlichen Haushalt zurück. Der Sohn der Antragsgegnerin wurde im Haushalt aufgezogen, vorwiegend betreut durch die Großmutter der Antragsgegnerin und durch die Antragsgegnerin selbst. Dritten gegenüber wurde die Mutterschaft der Antragsgegnerin verheimlicht; es wurde erzählt, dass das Kind vom Bruder stamme und die Kindesmutter sich nicht um das Kind kümmere.

Die Vaterschaftsfeststellung und die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen für das Kind erfolgte erst nach Volljährigkeit der Antragsgegnerin auf deren Betreiben durch Urteil des AG Erlangen vom ... 1974.

Die Antragsgegnerin schloss im Jahr 1968 die Volksschule ab. Sie absolvierte anschließend bei der Fa. Siemens eine Anlern-Ausbildung und war sodann dort als Bürogehilfin tätig. Später wechselte sie zur Sparkasse, dann zur Stadt Erlangen, wo sie 1976 bis 1977 erfolgreich die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten durchlief.

Im Jahr 2005 wurde die Antragsgegnerin wegen Erwerbsunfähigkeit verrentet. In diesem Zusammenhang wurde das von der Antragsgegnerin vorgelegte Gutachten der So. Klinik erstattet, auf welches wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Mit psychischen Beeinträchtigungen der Antragsgegnerin befasst sich auch eine Stellungnahme des sachverständigen Zeugen Dr. Rö. vom ... 2008 gegenüber dem Sozialgericht Karlsruhe.

Die zuvor in M wohnhafte Mutter der Antragsgegnerin, R. S., wurde am 30.4.2012 im Seniorenzentrum "K" in L (etwa 10 km vom M entfernt) aufgenommen. Sie war bis einschließlich März 2013 in Pflegestufe I, sodann in Pflegestufe II eingestuft. Die vom Pflegeheim in Rechnung gestellten Beträge und die hierauf in Anrechnung gebrachten Leistungen der Pflegeversicherung ergeben sich aus den zur Akte gereichten Monatsabrechnungen.

Der Antragsteller gewährt R. S. seit 30.4.2012 Sozialhilfe durch die Übernahme der durch eigenes Einkommen und Vermögen sowie die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedec...

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