Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe ohne vorherige Einschaltung des Jugendamts im Umgangsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn im Umgangsverfahren ein Elternteil vor Inanspruchnahme des Gerichts keine Beratung oder Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch nimmt, kommt im Einzelfall die Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit in Betracht.

 

Normenkette

BGB § 1684; FamFG § 76 Abs. 1; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 17.12.2018; Aktenzeichen 52 F 2947/18)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht Freiburg - vom 17.12.2018 (52 F 2947/18) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung seines Verfahrenskostenhilfeantrags für ein Umgangsverfahren.

Mit Antrag vom 06.11.2018 machte er geltend, die Antragsgegnerin verweigere ihm seit der Trennung im Oktober 2018 systematisch den Kontakt zu der gemeinsamen, ... Jahre alten Tochter M. (geboren ...).

Mit Verfügung vom 07.11.2018 wurde dem Antragsteller aufgegeben, weitere Unterlagen vorzulegen und mitzuteilen, ob die Eltern bereits die Beratungsmöglichkeiten beim Jugendamt genutzt hätten. Der Antragsteller teilte mit, eine Vermittlung über das Jugendamt sei sinnlos angesichts der harten Verweigerungshaltung der Mutter.

Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen. Dem Antragsteller werde derzeit in Absprache mit dem Jugendamt stundenweise Umgang gewährt. Übernachtungen kämen wegen des Alkoholkonsums des Antragstellers, längerer Umgang wegen der Nachwirkungen einer Darmoperation des Kindes und weiteren Gründen nicht in Betracht.

Mit Beschluss vom 17.12.2018 hat das Amtsgericht den Verfahrenskostenhilfeantrag abgelehnt. Der Antragsteller habe die angeforderten weiteren Belege nicht vorgelegt. Die gerichtliche Klärung des Umgangsrechts erscheine derzeit mutwillig, da sich der Antragsteller mit dem Vortrag der Gegenseite nicht auseinandersetze und ihm zuzumuten sei, zunächst den Versuch einer gütlichen Einigung unter Vermittlung des Jugendamts zu unternehmen, bevor er einen Anwalt einschalte.

Mit der Beschwerde macht der Antragsteller geltend, das ihm eingeräumte stundenweise Umgangsrecht sei nicht ausreichend. Eine Zwangsmediation beim Jugendamt gebe es nicht.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Vorbringens der Beteiligten und der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Dahingestellt bleiben kann, ob die subjektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vorliegen. Denn das Amtsgericht hat die Bewilligung unter den Umständen des vorliegenden Falles zu Recht als mutwillig abgelehnt, §§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO.

1. Unter den Umständen des vorliegenden Falles ist nicht entscheidend, ob es grundsätzlich als mutwillig zu qualifizieren ist, wenn ein bedürftiger Elternteil ein gerichtliches Umgangsverfahren betreiben will, ohne vorher die Beratung und Hilfe eines Jugendamts in Anspruch genommen zu haben (OLG Karlsruhe vom 23.05.2016 - 18 WF 76/16; OLG Karlsruhe vom 07.06.2017 - 5 WF 229/16, jeweils nicht veröffentlicht; strenger OLG Köln vom 17.12.2012 - 4 WF 156/12, FamRZ 2013, 1241: "immer zunächst zu verlangen" OLG Rostock vom 08.03.2011 - 10 WF 23/11, MDR 2011, 790: es "müsse stets versucht werden"; dagegen kritisch OLG Karlsruhe vom 07.01.2016 - 20 WF 209/15, NJW 2016, 1522; OLG Hamm vom 03.03.2011 - 8 WF 34/11, NJW-RR 2011, 1577; Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Auflage 2017, § 76 Rn. 17 m.w.N.).

2. Denn jedenfalls ist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe - wie auch bei anderen Rechtsstreitigkeiten - dann abzulehnen, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen der Mutwilligkeit (§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) konkret festzustellen sind.

a) Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn ein Beteiligter, der keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 114 Abs. 2 ZPO). Maßstab ist ein nicht hilfsbedürftiger Beteiligter, der die Kosten der Rechtsverfolgung selbst aufzubringen hat. Dieser wird regelmäßig bestrebt sein, den für ihn kostengünstigsten Weg zu wählen, wenn damit seinem Anliegen ausreichend Rechnung getragen wird. Es ist nicht der Zweck der Verfahrenskostenhilfe, auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Personen Prozesse zu ermöglichen, die der nichtbedürftige Beteiligte bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde (OLG Karlsruhe vom 22.02.2017 - 18 WF 32/17, NZFam 2017, 863, Juris Rn. 7; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Auflage 2018, § 114 Rn. 30 f. und § 76 FamFG Rn. 23, jeweils m.w.N.).

b) Dies gilt uneingeschränkt auch in Sorge- und Umgangsverfahren (OLG Saarbrücken vom 25.08.2009 - 9 WF 77/09, FamRZ 2010, 310, juris Rn. 12). Es ...

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