Leitsatz (amtlich)

Für ein gerichtliches Umgangsverfahren kann dem Antragsteller unter dem Gesichtspunkt der Mutwilligkeit Verfahrenskostenhilfe in der Regel nicht gewährt werden, wenn er nicht zuvor versucht hat, unter Einschaltung des Jugendamtes eine außergerichtliche Lösung herbeizuführen. Dies gilt dann nicht, wenn ein solcher Versuch von vornherein aussichtslos erscheint.

 

Verfahrensgang

AG Güstrow (Beschluss vom 13.10.2010; Aktenzeichen 72 F 743/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des AG Güstrow vom 13.10.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt worden (§§ 127, 567 ff. ZPO, 76 Abs. 2 FamFG). In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg. Die Ausführung des AG, die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei mutwillig, ist nicht zu beanstanden.

In einem Umgangsverfahren ist dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit der Inanspruchnahme des Gerichts zu versagen (§§ 114 ZPO, 76 FamFG), wenn ein verständiger, die Kosten selbst aufbringender Beteiligter in der Situation des Antragstellers seine Rechte nicht in der gleichen Weise verfolgt, sondern zunächst den - einfacheren und kostengünstigeren - Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung unternommen hätte, indem er das Gespräch mit dem anderen Elternteil gesucht und die Vermittlung des Jugendamtes in Anspruch genommen hätte.

a) Insoweit wird vertreten, vor der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens müsse stets versucht werden, die Sache durch Inanspruchnahme der kompetenten Hilfe des Jugendamtes außergerichtlich zu klären. Es sei nicht hinzunehmen, dass Einigungsversuche über die Verfahrenskostenhilfe als besondere Form der Sozialhilfe auf Kosten der Allgemeinheit auf das Familiengericht verlagert würden. In § 156 FamFG festgeschriebenes Ziel des Gesetzes sei es, vorrangig einvernehmliche Regelungen und gütliche Einigungen zu erzielen. Dies könne aber durch Vermittlung des Jugendamtes bereits vorgerichtlich auf einer deutlich niedrigeren Eskalationsstufe erfolgen. Die Verzögerung im Falle des Scheiterns sei nicht so gravierend, weil das Jugendamt auch im gerichtlichen Verfahren zu beteiligen und bei einer Vorbefassung mit einer schnelleren und gründlicheren Berichterstattung zu rechnen sei (OLG Rostock Beschl. v. 19.1.2011 - 10 WF 6/11; OLG Stuttgart FamRZ 2009, 354; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 114 Rz. 126 "Sorgerecht" und 128 "Umgangsrecht"; Horndasch/Viefhues/Götsche, FamFG, § 76 Rz. 85; Johannsen/Henrich/Marquardt, Familienrecht, 5. Aufl., § 114 ZPO Rz. 28; MünchKomm/ZPO/Viefhues, § 76 FamFG Rz. 33).

Dies gelte nur dann nicht, wenn die Einschaltung des Jugendamtes aussichtslos sei (OLG Saarbrücken FamRZ 2010, 310; OLG Brandenburg ZFE 2008, 429; OLG Dresden FamRZ 2006, 808; Keuter FamRZ 2009, 1891).

b) Nach anderer Ansicht ist das gerichtliche Vorgehen ohne vorherige Einschaltung des Jugendamtes nur mutwillig, wenn davon auszugehen ist, dass die Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes in angemessener Zeit zum Erfolg geführt hätten (OLG Koblenz FamRZ 2009, 1230; OLG Schleswig OLGReport Schleswig 2008, 107; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 114 Rz. 31; so auch noch OLG Rostock Beschl. v. 16.6.2010 - 10 WF 95/10).

c) Schließlich wird vertreten, die sofortige Inanspruchnahme des Gerichts ohne vorherige Einschaltung des Jugendamtes stehe der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht entgegen. Den Eltern müsse erlaubt sein, die Erfolgsaussichten einer Vermittlung durch das Jugendamt selbst einzuschätzen. Scheitere nämlich die Vermittlung durch das Jugendamt, komme es zu Verzögerungen bei der Regelung des Umganges. Zudem sei nur eine gerichtliche Entscheidung oder gerichtlich gebilligte Vereinbarung vollstreckbar (OLG München FamRZ 2008, 1089; OLG Hamm FamRZ 2007, 1337; Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 76 Rz. 19 a.E.; Prütting/Gehrlein/Völker/Zempel, ZPO, 1. Aufl., § 114 Rz. 39; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 30. Aufl., § 114 Rz. 8a).

d) Der Senat hält an der erstgenannten Auffassung fest. Erscheint die Einschaltung des Jugendamtes nicht aussichtslos, ist dieses Vorgehen nicht nur unter Kostengesichtspunkten, sondern vor allem auch zur Vermeidung zusätzlicher Belastungen des Kindes und der Sachebene der Eltern vernünftig. Verschließt sich der Antragsteller diesen Erwägungen, kann er mit einer Finanzierung seines Vorgehens im Wege der Verfahrenskostenhilfe nicht rechnen.

Nach diesen Grundsätzen kommt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht in Betracht. Der Antragsteller geht mit der sofortigen Beschwerde selbst nicht von einer Aussichtslosigkeit der Vermittlung des Jugendamtes aus; von einem Erfolg sei lediglich "nicht ohne weiteres ... auszugehen". Der Akte ist eine solche Aussichtslosigkeit auch im Übrigen nicht zu entnehmen. Vielmehr ist aus dem Schreiben vom 16.7.2010 zu entnehmen, dass sich die Antragsgegnerin bereits vorgerichtlich kooperativ zeigte. Dies ist durch ...

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