Entscheidungsstichwort (Thema)

standardisiertes Messverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung bei Einsatz eines von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassenen Geschwindigkeitsmessgeräts Verwirft das Gericht eine Geschwindigkeitsmessung, die mit einem von der PTB zugelassenen Messgerätetyp (hier: PoliScan Speed) vorgenommen wurde, ohne dass ein nicht von der PTB überprüftes Messszenario vorlag oder aber fassbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine Fehlmessung im konkreten Fall bestehen, entfernt sich die Beweiswürdigung so sehr von einer tatsächlichen Grundlage, dass es sich nurmehr um eine Vermutung handelt.

 

Normenkette

StVO § 3

 

Verfahrensgang

AG Emmendingen (Entscheidung vom 13.11.2014; Aktenzeichen 5 OWi 530 Js 17298/13)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Freiburg wird das Urteil des Amtsgerichts Emmendingen vom 13. November 2014, soweit es den Betroffenen Daniel Hegel betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels an das Amtsgericht Freiburg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 13.11.2014 sprach das Amtsgericht Emmendingen den Betroffenen Hegel und zwei weitere Betroffene - insoweit wurde die zunächst eingelegte Rechtsbeschwerde nach Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft gegenüber dem Amtsgericht Emmendingen zurückgenommen - jeweils vom Vorwurf der Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften aus tatsächlichen Gründen frei. Nach den getroffenen Feststellungen war der Betroffene Hegel am 3.12.2012 um 16:36 Uhr auf der B 3 auf Gemarkung Denzlingen (Höhe Unterführung Wassemer Wald) in Fahrtrichtung Emmendingen - an dieser Stelle war die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen auf 100 km/h beschränkt - als Fahrer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen FR-GH 198 bei einer Geschwindigkeitsmessung mit einem Laser-Scanner vom Typ Poliscan Speed M 1 HP erfasst worden, wobei sich nach Toleranzabzug eine gefahrene Geschwindigkeit von 158 km/h ergab. Weil es grundsätzliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung mit dem verwendeten Messgerättyp hegt, hielt das Amtsgericht das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung nicht für eine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung des Betroffenen.

Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft Freiburg mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg, weil die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil Rechtsfehler aufweist.

1. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§§ 46 OWiG, 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Betroffenen zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt (st. Rspr. des BGH, vgl. etwa BGHR StGB § 212 Abs 1 Vorsatz, bedingter 64). Letzteres ist auch dann der Fall, wenn sich die Schlussfolgerungen des Tatrichters so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (BGH NStZ 1981, 33 und 1986, 373).

2. Nach diesen Maßstäben entbehrt die Beweiswürdigung, soweit das Amtsgericht das Messergebnis wegen allgemeiner Zweifel an der Zuverlässigkeit des verwendeten Geschwindigkeitsmessgerätetypus auf der Grundlage von Äußerungen des zugezogenen technischen Sachverständigen Dr. Löhle verworfen hat, einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage, die dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht.

Insoweit ist von Bedeutung, dass nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung die Überprüfung und Zulassung des Messgeräts durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) grundsätzlich eine ausreichende Gewähr dafür bietet, dass die Messung bei Einhaltung der vorgeschriebenen Bedingungen für den Einsatz auch im Einzelfall ein fehlerfreies Ergebnis liefert (Senat VRS 127, 241; OLG Frankfurt DAR 2015, 149; KG VRS 118, 367; OLG Köln Beschluss vom 30.10.2012 - III-1 RBs 277/12, bei [...], und NZV 2013, 459; OLG Bamberg DAR 2014, 38; OLG Schleswig SchlHA 2013, 450; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.7.2014 - IV-1 RBs 50/14, bei [...]). Dies trägt auch dem Umstand Rechnung, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung dient (BVerfGE 27, 18, 28 f; 45, 272, 288 f m.w.N.) und es schon im Hinblick auf seine vorrangige...

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